Der Dialog zwischen Regierung und Volk gehört erneuert. Dafür brauchen wir eine zeitgemäße Gewaltentrennung und Machtbalance.
Nicht genug, dass die gute alte Gewaltentrennung – zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit – in den westlichen Demokratien schwer unterlaufen ist, werden auch noch die drei großen gegenwärtigen Machtpole der westlichen Gesellschaft – Politik, Wirtschaft und Medien – von wenigen Menschen und Organisationen gleichzeitig dominiert. Gibt es noch eine Chance auf eine demokratische Gesellschaft, in der nicht ganze Parlamentswahlen zur Farce gemacht, bedeutende Innovationen missbraucht und die öffentliche Kommunikation manipuliert wird?
Seit es Demokratien gibt versuchen nach Macht, Geld und Bedeutung Strebende sich die drei großen Leistungseinheiten der staatlichen Autorität mit allen möglichen Mitteln für ihre Zwecke gefügig zu machen, also die Gewaltentrennung zu durchbrechen. Das geschieht dadurch, dass sie in allen drei Bereichen als Parteien, Gewerkschaften oder Lobbys möglichst viele Positionen besetzen bzw. die dort Tätigen an sich binden. Das geschieht mit – korrekten oder manipulierten – Informationen, Argumenten und Studien, mit – legalen oder illegalen – Leistungsübernahmen, Förderungen und sonstigen Anreizen, mit einem – inszenierten oder authentischen – „Druck der Straße“ etc. Das geschieht in einem beständigen Kampf zwischen den Parteien um Vorteile und Mehrheiten, in dem oft von „den Reichen“ das Geld und von „den Massen“ die Wählerstimmen genommen werden. Der nach außen geführte Kampf zwischen rechten und linken Positionen kulminiert in einer Auseinandersetzung zwischen Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit, Bildungsnähe und Bildungsferne, Kapitalzugang und Mittellosigkeit. Durch all dies und durch die zunehmende Heterogenität, Multikulturalität und Wandlungsfähigkeit (neue Lebensmodelle etc.) unserer Gesellschaft nimmt auch die Wichtigkeit des von einander unabhängigen und fundierten Wirkens von Abgeordneten, Beamten und Richtern weiter zu. Sonst kann kein konstruktiver Dialog zwischen politischen Führungskräften und ihren Auftraggebern, dem Volk stattfinden.
Durchlöcherte Gewaltentrennung fördert Fehlentwicklungen
Die klassische staatliche Gewaltentrennung war und ist daher ein vernünftiges Prinzip, mit dem das Dominieren eines Teiles der Gesellschaft zu Ungunsten eines anderen verhindert werden soll. Defacto ist in Europa und Österreich dieses Prinzip zum Nachteil einer echten Demokratie jedoch sehr durchlöchert worden. Es kam aber noch schlimmer. Zusätzlich und dramatisch verschärft hat sich in den letzten Jahrzehnten die Situation dadurch, dass die Globalwirtschaft – im wesentlichen Großkonzerne und Finanz-Giganten – nicht nur innerhalb der Staaten sondern praktisch überall mit Geld, Know How und Arbeitsplätzen so in die Politik und die Medien eingreift, dass viele von einer Quantifizierung und Entmenschlichung unserer Politik – in unmittelbarer Folge auch unserer Gesellschaft – sprechen. Sie sehen in der Dominanz des Wirtschaftlichkeits-Aspektes die Ursache für Armut, Umweltzerstörung, gefährlichen Klimawandel und soziale Fehlentwicklungen.
Die fünf Ursachen für bestehende Fehlentwicklungen in unserer Demokratie
1. Die Wirtschaft der Welt hat sich vermehrt in a) eine dominierende, Gewinne abschöpfende Globalwirtschaft, b) einen innovativen, notwendige Regionalität erhaltenden, nachhaltigen wie überproportional Steuer zahlenden Mittelstand (KMU) und in c) die extrem heterogenen, oft auch „working poor“ Eine-Person-Unternehmen (EPU, eine Art Treibsand des Kapitalismus) gesplittet
2. Die Globalwirtschaft dominiert ganz besonders mit Ressourcen-Aneignung (z.B. Ölkonzerne), Finanzherrschaft (z.B. undurchschaubare „too big to fail“-Banken und Börsen) und Kommunikationsmonopole (z.B. Google, Facebook)
3. Die Gewerkschaften und Sozialvertreter sind unausgesprochen mit der Globalwirtschaft in eine unheilige Groß-Lobby-Allianz eingetreten, welche sich darin einig ist, dass einerseits den sozial Schwachen ein Mindestmaß an Leistung und Aufstiegschancen gegeben wird (Mindestsicherung, Bildungsförderung, etc.) und andererseits die Massenversorgung mit (oft bedenklichen) globalen Massenprodukten ungehindert, ja heftig beworben fortgesetzt werden kann: „Brot und Spiele“ auf Kosten des Mittelstandes bzw. der kleineren Leistungsträger.
4. Die Medien befinden sich in einem fundamentalen Wandel vom klassischen, unabhängigen Printjournalismus zu einer Multimedia-Kommunikationswelt mit Film & TV, Internet, Mobile, Gigaevents, etc. in der die Karten neu verteilt werden; in der Gratis-Information nicht ordentlich recherchiert ist, bzw. gar nicht der Realität entspricht (von Wikipedia bis zu U-Bahn-Medien); wo Qualitäts-Journalismus immer schlechter bezahlt wird, immer mehr unter Druck kommt.
5. Die Politik – besonders deren etablierte Vertreter – steht dieser Entwicklung mit Hilflosigkeit und Schläue (bis hin zur Korruption), mit kurzfristigem Reagieren statt langfristigem Agieren und mit unzureichenden Mitteln, Strukturen und Größenordnungen gegenüber. Lobbying – zum entscheidenden Instrument der modernen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geworden – ist leider einer großen Mehrheit nicht zugänglich.
Was jetzt geschehen müsste
Damit die staatliche Gewaltentrennung wieder verbessert, eine faire regionale, staatliche und globale Machtbalance zwischen Politik, Wirtschaft und Medien wiederhergestellt wird und der Dialog zwischen Menschen und ihren Mandataren wieder funktioniert, möchte ich folgende 5 Forderungen zur Diskussion stellen:
* Völlige Transparenz über Zustand der Gewaltentrennung durch geeignete unabhängige Kontroll-Institutionen plus Konzepte für die Ausweitung und Durchsetzung zeitgemäßer Gewaltentrennungs-Aktivitäten
* Völlige Transparenz über Zustand der Machtbalance zwischen Politik, Wirtschaft und Medien unter besonderer Berücksichtigung der 3-Stufigkeit der Wirtschaft und der Dominanz der Groß-Lobbys der Globalwirtschaft und der Sozial-Lobbys durch geeignete nationale, EU-weite und globale Institutionen plus Konzepte für die Ausweitung und Durchsetzung zeitgemäßer Machtbalance-Projekte
* Sicherung des Bestandes von unabhängigem Qualitätsjournalismus durch Bildung, Förderung, Image/Wertschätzung – gleich in welchen Medien dieser agiert
* Alles tun, das den Mittelstand (KMU mit ihren Chefs und Mitarbeitern, EPU, Freiberufler, Haupterwerbsbauern) als verantwortungsvollen Balancefaktor zwischen Global-Kapitalismus und Global-Sozialismus stärkt, z.B. mit Mittelstandsquote in der Gesetzgebung; verbesserte Interessenvertretung; Geld, Know How und Struktur für mittelständisches Lobbying
* Voraussetzungen schaffen, dass etablierte Parteien durch Selbsterneuerung und „Evolution“ wieder zu echten Volksvertretungen werden; zusätzliche Förderung der Aktivitäen der Opposition sowie der Bildung neuer Parteien; generell verbesserter Zugang der Bevölkerung zu Bildung, insbesondere zu den Methoden und Möglichkeiten eines systematischen, transparenten und sauberen Lobbyings.
Immer schon waren kleine qualifizierte Kerngruppen die Triebfedern des Fortschritts aber auch der sozialen (Leistungs- und Verteilungs-) Gerechtigkeit. Begonnen hat es mit Familien, Stämmen, Klans, hat sich fortgesetzt in anständigen Großbetrieben aber auch in kriminellen Organisationen, in legal aber unakzeptabel zur Macht gekommenen Großeinheiten. Gewaltentrennung, Machtbalance und freier Zugang zum Lobbying sind die Voraussetzungen für eine positive Fortsetzung des „demokratischen Experiments“ der Menschen. „Möge die Macht mit Dir sein“ wünschten sich die Jedi-Ritter im „Krieg der Sterne“. Was wir brauchen sind Jedi-Ritter einer fairen mittelständischen Gesinnung, die es ermöglichen, dass die Menschen transparent und durchlässig miteinander kommunizieren und damit die Demokratie 2.0 gestalten.
Wolfgang Lusak, Unternehmensberater und Lobby-Coach
www.lusak.at www.lobbydermitte.at