Ein Gast-Kommentar von Dr. Johannes Linhart, Geschäftsführer der Mittelstands-Allianz des Senats der Wirtschaft
Natürlich darf er das, und wir sind ihm dankbar dafür. Doch spielt der „New Deal“-Partner mit?
Ende Juni durfte ich zwei Präsentationen von Staatssekretär Dr. Harald Mahrer beiwohnen: Der Buchpräsentation „Philantropie 2.0“ sowie der Veranstaltung im Wirtschaftsministerium zu dessen neuester Initiative „KMU Finanzierung – Potential für die Errichtung einer KMU-Börse in Österreich”. Harald Mahrer geht es offenbar nicht nur darum, die österreichische Mittelstandsfinanzierungs-Misere zu reparieren, sondern auch die finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen, um unser Land wieder innovations- und zukunftsfähig zu machen. Nur so können wir bei der bereits stattfindenden Digitalisierung mithalten und Arbeitsplätze schaffen.
Nach den bisher von Mahrer (trotz erheblichen Widerstands) durchgeboxten Maßnahmen im Bereich KMU-Finanzierung (Novellierung des Stiftungsgesetzes, Gesetz für Crowdfunding, Erweiterung der Finanzierungspakete des AWS für Start-Ups, Errichtung des Global Incubator Netzwerks, Dynamisierung der Investitionsabschreibung), versucht er sich nun wieder am Kapitalmarkt.
Es ist eine äußerst begrüßenswerte Initiative, der ich in den einzelnen Punkten und Maßnahmen voll und ganz zustimmen kann, auch wenn zu wenig ins Detail gegangen wird, insbesondere welche steuerlichen Anreize notwendig wären, um den Kapitalmarkt wieder zu beleben (verständlich, da er sich ja die Verhandlungsbasis mit dem Koalitionspartner offen halten muss).
Die einzelnen Initiativen umfassen:
– Einführung eines Beteiligungsfreibetrags
– Eine Co-Investment Initiative im Rahmen des AWS Business Angel Fonds
– Schaffung eines CEE Venture Capital Dach-Fonds
– Ermöglichung einer Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft
– Privatanlegervertrieb im AIFMG
– Innovations & Wachstumssegment an der Börse
– Neue IPO Anreize durch Entrümpelung der Regularien
– IPO-Kosten reduzieren
– Mitarbeiterbeteiligung stärken
Von der österreichischen Realität schnell eingeholt
Es gab dann eine Podiumsdiskussion zum Thema KMU-Börsen mit sogenannten “Stake-Holdern“ – Vertretern von der Wiener Börse, der FMA, der Österreichischen Nationalbank (Präsident Dr. Claus Raidl) und des WiFo. Staatssekretär Mahrer erhoffte sich von den „Stake-Holdern“ weitere Ideen und Rückenwind für seine Initiative. Doch von den Herrschaften hat sich nur Raidl zu mutigeren Forderungen hinreißen lassen, insbesondere, dass mehr für Liquidität an der Wiener Börse gemacht werden müsse, sprich, es müsse für jeden einzelnen wieder interessanter werden, in Wertpapiere zu investieren. Wie dies gemacht werden kann, welche steuerlichen oder gesetzlichen Maßnahmen dieses Ziel erreichbar machen, hat aber auch er nicht konkret angesprochen. Die anderen Herren aus Österreich haben lediglich über bürokratische Hürden bei der Umstellung von Inhaberaktien auf Namensaktien gesprochen, wie dies von der neuesten Gesetzeslage in Europa gefordert wird (Verhinderung von Geldwäsche), sowie folgende „Gründe“ für einen in Österreich praktisch nicht existierenden Kapitalmarkt genannt: 1. der Österreicher wäre risikoaverser als der Schweizer oder Holländer und dass 2. Bankberater nur ihre eigenen Produkte verkaufen, nicht jedoch zu Börsengeschäften ermutigen. Meine Antwort dazu: Bankberater würden gerne mehr Aktienempfehlungen aussprechen, wenn die gesetzlichen und bürokratischen Hürden nicht so massiv wären und sie nicht stets Gefahr liefen, für jede ausgesprochene Empfehlung strafrechtlich belangt zu werden. Ebenso ist eine mangelnde Risikobereitschaft des Österreichers weder historisch noch aktuell belegt: Allein die massive Zunahme an Immobilienkäufen bestätigt das Gegenteil. Der Österreicher gilt sogar eher als „Zocker“, was aber vor allem der fehlenden Wirtschaftsausbildung im gesamten österreichischen Bildungsweg geschuldet ist.
Förderung der Börsenliquidität
Ich habe dann Herrn Staatssekretär Mahrer persönlich vorgetragen, welche einfachen steuerlichen oder gesetzlichen Maßnahmen (zusätzlich zu den von ihm bereits vorgebrachten Punkten zu IPO Kosten und Regularien) für mehr Liquidität, sprich für eine Wiederbelebung des österreichischen Kapitalmarkts sorgen würden, wie z.B.:
– Einführung einer durchschnittlichen Dividendenbesteuerung über mehrere Jahre
– Einführung des zeitlich unbeschränkten Verlustvortrags bei Wertpapieranlagen
– Novellierung des Regelwerks um Schuldscheindarlehen (Promissory Notes)
– Abschaffung der steuerlichen Subvention von Fremdkapital in der Finanzierungsstruktur von Unternehmen
– Umsetzung des exzellenten Entwurfs des KMStIG von Molterer 2008 (Steuerliche und bürokratische Erleichterungen für VC und PE-Fonds)
– Pensionsmodelle – 2. Säule: Pflichtversicherung mit Opt-Out-Struktur und Anreize für breite Bevölkerungsschichten Pensionsvorsorge zu betreiben.
– Die Börsenumsatzsteuer halte ich für systematisch gerechtfertigt aber absolut kontraproduktiv solange diese nicht europaweit, ja weltweit, eingeführt wird.
Die Ideen sind wahrlich keine revolutionären Maßnahmen und für Harald Mahrer nicht neu. Fragt sich nur, was der „New-Deal“-Partner zulassen wird und ob dieser sich von seines Vorgängers Heuschrecken- und Spekulantensager loslösen wird können!
Höchste Zeit für ein Erwachen aus dem Dornröschenschlaf:
Im Zeitalter der Digitalisierung und der galoppierenden Veränderung ist Österreich gegenüber anderen europäischen Ländern, Europa gegenüber Asien oder den USA bereits im Hintertreffen. Um innovative Geschäftsideen rasch umsetzen zu können, ist ein modernes privatwirtschaftliches Finanzierungssystem unumgänglich. Philanthropie, Private Equity, Venture Capital und Kapitalmarkt sind die Basis für Innovation. Höchste Zeit, dass Österreich hier aus seinem Dornröschenschlaf aufwacht, sonst wandern wir unaufhaltsam von einem Arbeitslosigkeitsrekord zum nächsten!
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Exkurs: Die Vorschläge zur Förderung der Börsenliquidität und somit zur Wiederbelebung des Kapitalmarkts etwas näher ausgeführt:
Schuldscheindarlehen (Promissory Notes): Hier wäre eine Angleichung an das deutsche Regelwerk der einfachste Schritt um dieses Instrument auch in Österreich leichter zugänglich zu machen. Vorteil: Durch das geringere Mindestvolumen (€20mio) Zugang zu Fremdkapital über den Kapitalmarkt (weg von den Banken). Bietet Anlegern im Private Banking eine interessante alternative, die schon jetzt in anderen Ländern sehr populär ist. Derzeit werden in Österreich Schuldscheindarlehen nach deutschem Recht begeben, was umständlich und kostspielig ist.
Abschaffung der steuerlichen Subvention von Fremdkapital in der Finanzierungsstruktur von Unternehmen: Die steuerliche Benachteiligung von Eigen- gegenüber Fremdkapitalkosten führt zu einem wirtschaftlich suboptimalen Verschuldungsniveau. Vor rund 14 Jahren wurde bereits ein Versuch unternommen, die Eigenkapitalkosten auch steuerlich absetzbar zu machen. Leider war der Versuch nicht erfolgreich. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten des zu hohen Verschuldungsgrades von Banken, nicht-Banken-Finanzintermediären und nicht-finanziellen Unternehmen verursacht sehr hohe volkswirtschaftliche Kosten. Eine neuerliche Initiative wäre daher gesamtwirtschaftlich ein substanzieller Beitrag zum nachhaltigen Wachstum in Österreich.
Einführung einer durchschnittlichen Dividendenbesteuerung über mehrere Jahre: Parallel zur Abschaffung der steuerliche Subvention von Fremdkapital sollte die steuerliche Benachteilung von Eigenkapital in den Portfolios der InvestorInnen durch die Einführung der durchschnittlichen Dividendenbesteuerung abgeschafft werden: Jahre in denen ein Unternehmen keine Ausschüttung leistet werden mit guten Dividendenjahren ausgeglichen. Hiermit wäre eine Angleichung der steuerliche Belastung von Kapitalerträgen (Zinsen, Dividenden) eher gewährleistet. In Übereinstimmung mit der o.g. Modernisierung des Unternehemenssteuerrechts würde so Eigenkapital/Aktien gegenüber Fremdkapital interessanter.
In dieselbe Kerbe schlägt die Einführung des zeitlich unbeschränkten Verlustvortrags bei Wertpapieranlagen (dzt nur innerhalb des Kalender Jahres möglich): Auch hier wäre eine Angleichung an das deutsche Regelwerk der einfachste Schritt und würde Aktieninvestitionen für Privatanleger erheblich attraktiver und gerechter machen.
Mittelstandsfinanzierung, PE, VC: Umsetzung des exzellenten Entwurfs des KMStIG von Molterer 2008, allerdings mit den schon damals zB von der Kanzlei Dorda Brugger Jordis oder von der AVCO vorgeschlagenen Änderungen (online abrufbar).
Pensionsmodelle – 2. Säule: Hier wäre zu untersuchen, inwiefern die Einführung einer Pflichtversicherung (wie in USA, UK, Holland…), eventuell mit einer Opt-Out-Struktur, auch in Österreich zu mehr Aktivität im Kapitalmarkt führen würde. Eine Stärkung der 2. Säule wäre jedenfalls wichtig. Die bisherige Subvention der 2. Säule kommt derzeit vor allem den Pensionskasse zugute (zB KEST-Befreiung sowie Verschiebung der ESt auf die Pensionsauszahlung), nicht jedoch dem Arbeitnehmer. Daran müßte etwas geändert werden… Das derzeitige Modell ist zu sehr pensionskassenorientiert und zuwenig zielorientiert (Anreize für breite Bevölkerungsschichten Pensionsvorsorge zu betreiben).
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Der SENAT DER WIRTSCHAFT ist ein parteiunabhängiger und ökosozial ausgerichteter Think Tank sowie ein international agierendes Wirtschafts-Netzwerk. Sein Ziel ist es, auf gesellschafts- und wirtschaftspolitisch relevante Themen aufmerksam zu machen und das Bewusstsein dafür nachhaltig zu schärfen. Die „MITTELSTANDS-ALLIANZ DES SENAT DER WIRTSCHAFT“ verfolgt – auch gemeinsam mit “Lobby der Mitte” und Wolfgang Lusak – das Ziel dem Mittelstand eine unüberhörbar starke Stimme in der Öffentlichkeit zu geben.
Dr. Johannes Linhart
Geschäftsführer Projekt MITTELSTANDS-ALLIANZ & KLIMA-ALLIANZ