Seid Ihr nicht längst fein raus?

„Mittelstand kann unser Retter sein, aber wer rettet den Mittelstand? – Wieso sich die Politik besser an die Zahlen 63-32-7-1 halten sollte, wenn sie die 2. große Krisenwelle abwehren will
Kommentar von Wolfgang Lusak

Das Schlimme ist, dass die derzeitigen leichten Erholungstendenzen der EU-Wirtschaft ohne Lernreaktion auf die globalen wirtschaftspolitischen Fehler der letzten 10 Jahre bald in noch ärgere EU-Katastrophen münden. Und dass es dem österreichischen und europäischen Mittelstand bei einer zweiten, noch härteren Krisenwelle (nach 2008) gar nichts nützt, wenn er weiterhin innovativ, nachhaltig und fleißig unterwegs ist. Weil ihn dann massiv protektierte Global-Unternehmen verdrängen und bisherige Märkte wegbrechen werden. Weil wahrscheinlich wieder Konzerne und Finanzunternehmen „gerettet werden müssen“, weil sie „too big to fail“ (zu groß um fallengelassen zu werden) sind. Weil die wachsende Anzahl der dabei unverschuldet ins Elend gekommen Arbeitnehmer, Migranten und sozial Schwachen aufgefangen werden muss. Und weil dann noch dazu wieder der Mittelstand bzw. die KMU zur Kassa gebeten werden.

In der Krise stößt die Demokratie an ihre Grenzen. Verantwortungsvolle Politik ist scheinbar nicht mehrheitsfähig und durchsetzbar. Politiker und Top-Manager orientieren sich nur mehr kurzsichtig an den Terminen der nächsten Wahlen und Bilanzberichte, zu wenig weitsichtig an den Bedürfnissen der Menschen und der Umwelt. Wenn aber nur mehr die polarisierenden Groß-Lobbys der Kapitalwelt und Sozialpolitik dominieren, geht unsere Mitte verloren und die mittelständische Wirtschaft zugrunde.

Die vier magischen Zahlen des politisch relevanten Mittelstandes
Mittelstand wäre jedoch eine ganz tolle und starke politische Zielgruppe. 63% der österreichischen Bevölkerung sehen den Mittelstand als sehr wichtig an, 32% fühlen sich der Wertegemeinschaft Mittelstand (Werte Leistung, Eigentum, Nachhaltigkeit und Fairness) zugehörig, 7% sind Mittelstands-Unternehmer/Unternehmerinnen (KMU, Freiberufler, etc.) und 1% ziehen als Top-innovative, investierende, Wachstums- und Export-orientierte Unternehmen ständig den Wagen aus dem Dreck. Alle miteinander sind sie starke Nettozahler ins Steuer- und Umverteilungssystem. Sie könnten der Retter vor und in der Krise sein.

Warum die Parteien bisher nicht – höchstens propagandistisch vor Wahlen – die Zielgruppe Mittelstand ansprechen, unterstützen und mobilisieren, ist völlig unverständlich. Wieso nützt keiner die Chance die 18% der Österreicher zu adressieren, die keine der bestehenden Parlamentsparteien als für den Mittelstand wählbar ansieht? Fast alle Parteien liegen mit ihren „Sonntagsfrage“-Werten unter dem der Wertegemeinschaft Mittelstand. Auch wenn in den meisten „Wirtschaftsflügeln“ der Parteien durchaus Mittelstands-freundliche Aussagen gemacht werden, die Gesamtpartei rudert zumeist in Richtung einer für sie traditionellen, meist polarisierenden Klientel. Es ist ein unfassbarer Fehler der Parteistrategen, immer nur mit dem partikulärem Primitiv-Schema „1. Wo sind auffällige (Einzel-)Probleme? 2. Zu welchen haben wir eine glaubwürdige Lösungskompetenz? 3. Welche Lösung trommeln wir daher?“ mediale Aufmerksamkeit zu suchen, weil auch die anderen Parteien mit anderen Partikulär-Themen punkten und letztlich die Gesamt-Glaubwürdigkeit aller Parteien schwindet. Schlimm, wenn auch junge Parteien so ähnlich vorgehen. Schlimm, wenn die meisten Parteien nicht mehr die Heimat einer maßvollen, ausgewogenen, Leistungs-bereiten Mitte-Zielgruppe sind, sondern sich an polarisierenden Themen abarbeiten und die Gesellschaft weiter spalten. Aber die künstlich mit mangelhafter Schulbildung „dumm gehaltene“ Gesellschaft begreift immer mehr, dass sie manipuliert wird und reagiert mit Passivität oder Wut: Beides keine Mittel zur Krisenbewältigung.

Wer seid Ihr?
Wann werdet Ihr endlich begreifen, dass man nichts mehr umverteilen kann, wenn die Quelle der Umverteilung, der Mittelstand endgültig ruiniert ist? Die wenig Steuern zahlenden Konzerne und irrational lieber in durch Weltbank und EZB gestützte Bereiche statt in Mittelstand investierenden Finanzunternehmen haben sich Eurer Kontrolle weitgehend entzogen und werden Euch nicht mehr wirklich helfen. Die schlecht ausgebildeten, in immer mehr Wirtschaftsbereichen nicht verwendbaren Arbeitslosen und Working Poor können Euch auch nicht helfen. Auch die digitale Revolution, die vor allem neue Leistungen aber kaum mehr Arbeitsplätze bringt wird Euch nicht helfen. Aber wer ist schon „Euch“? Ja, es gibt tolle, einsatzfreudige Politiker, aber den anderen sei gesagt: Seid ihr nicht längst fein raus? Wird Euch eine 2. Krisenwelle überhaupt betreffen? Müsst Ihr nicht noch nur eine Wahl mit vielen unredlichen Versprechen gewinnen und Euch dann in Eure Aufsichtsrats-, Berater- und Lobbyisten-Jobs oder in Eure Pension in Villen zurückziehen? Und an alle: Wo ist die Partei, die ernsthaft für die Werte der Mitte und den Mittelstand eintritt?

Mag. Wolfgang Lusak, Unternehmensberater und Lobby-Coach
www.lusak.at ; www.lobbydermitte.at ; office@lusak.at

Genannte Markt- und Meinungsforschungs-Zahlen siehe: www.lobbydermitte.at und 7. Welle des Mittelstandsbarometers: http://www.lobbydermitte.at/wp-content/uploads/LdM-Gallup-Mittelst-Baromet-Detail-Ergebn-kompakt-Apr-161.pdf

Kategorie: