Parteichefs-Mittelstands-Prüfstand

Was sie sie uns versprechen und was man davon halten soll
Eine kritische Zusammenfassung über die Parteichef-Interviews von Wolfgang Lusak

Anlässlich der kommenden Wahlen trat ich mit Fragen zum Thema Mittelstand an alle sechs Parteichefs zur Veröffentlichung im Lobby der Mitte-Blog und im a3ECO-Unternehmermagazin heran. Von Sebastian Kurz bekamen wir leider keine Antwort. Von Christian Kern bekamen wir eine Antwort, welche den Mittelstand als Zielgruppe praktisch negierte. Die Freude über die Wertschätzung der übrigen vier für den Mittelstand ist aber auch ein wenig getrübt.

Ziel meiner Interviews war es, die Ernsthaftigkeit der Parteien in Bezug auf ihre Wertschätzung und ihren Einsatz für den Mittelstand als Wertegemeinschaft, Wirtschaftsfaktor und politische Zielgruppe auszuloten, zu vergleichen und zu bewerten. Dafür wurde einerseits eine Definition des Mittelstandes vorgegeben und grundsätzlich immer die gleichen Fragen gestellt. Die Definition lautete: Mittelstand ist eine aus den Eignern, Mitarbeitern, Partner sowie Freunden der KMU und Selbständigen gebildete Wertegemeinschaft der Werte Leistung, Eigentum, Nachhaltigkeit und Fairness.

Vier der befragten Parteichefs – Lunacek, Strache, Strolz und Lugar – sehen den Mittelstand in ganz ähnlicher Weise als außerordentlich wichtige Zielgruppe und als Träger der Wirtschaft. Nicht verwunderlich ist, dass sie sie den Mittelstand als von den jeweils anderen, vor allem aber der Koalitionsregierung zu wenig beachtet und daher von ihnen selbst wo und wie es nur geht unterstützt sehen. Dabei erstecken sich die Hauptbotschaften von einer sich sehr identifizierenden „Wir sind ja Mittelstand“-Behauptung (besonders von FPÖ und NEOS) bis zu einer sachlich-wohlwollenden Haltung (wie bei den GRÜNEN und dem Team Stronach). Nur die SPÖ mit Bundeskanzler Kern verweigerte sich der Verwendung des Begriffs Mittelstand – mit dem sie nur die Eigner  von KMU verbindet – durch den Anspruch, die „Mittelschicht“ zu vertreten, „es wäre wenig zielführend, nach Erwerbsformen zu unterscheiden“.

Auch wenn das Team Stronach nicht mehr antritt: Robert Lugar war ein kompetenter, etwas abgeklärter Interview-Partner, der den Mittelstand als wichtigste Staatsstütze bezeichnete und trocken analysiert: „Er ist stark in der wirtschaftlichen Leistung und schwach in der politischen Durchsetzung, er kann nicht vor Steuern flüchten. Er wird wie ein Lasttier behandelt, das immer bis zu seinen äußersten Grenzen belastet wird.“ Komplettes Interview

Matthias Strolz brachte viel Leidenschaft für Mitte und Mittelstand in seine Antworten und formulierte fast unisono mit den anderen Oppositions-Parteichefs: „Mittelstand wird als Lobby immer schwächer, weil die Regierung – jahrzehntelang von Rot-Schwarz dominiert – nur so tut, als ob sie für den Mittelstand eintreten würde, ihn de facto aber immer mehr benachteiligt und ausbeutet.“ Strolz weiter: „Wir leben Mittelstand ehrlich und mehr als die anderen. Wir wollen auch die emotionale Heimat des Mittelstands werden – gebt uns bitte dafür noch etwas Zeit.“ Komplettes Interview

HC Strache war gut vorbereitet, hatte alle relevanten Zahlen und Aussagen zur Hand, stellte sich als den Beschützer der Leistungsträger, Steuerzahler und KMU dar und wettert gegen „die Unterstützung der in geschützten Bereichen Tätigen und der Sozialhilfeempfänger“, dort flössen die Steuereinnahmen aus dem Mittelstand hin, „dagegen treten wir auf, wir setzen uns für mehr Leistungsgerechtigkeit ein.“ Sein Hauptvorwurf an die bestehende Regierung: „Statt Leistungsanreize für zukünftiges Wachstum zu setzen, wird eine leistungsferne Anspruchsgesellschaft gefördert, in der Schule werden zukünftige Arbeitslose regelrecht gezüchtet. KMU und Nahversorgung werden benachteiligt, Beispiel Registrierkassenpflicht und Besteuerung im Vergleich zu Konzernen!“ Komplettes Interview

Ulrike Lunacek betonte im Interview die Bedeutung des Mittelstands als „verantwortungsvolles und innovatives Rückgrat unserer Wirtschaft und Basis unseres Wohlstandes“. Sie sprach auch – so wie die anderen Oppositions-Parteien – die Forderungen nach Lohnnebenkosten-Senkung, verstärkter Forschungsförderung („KMU gegenüber Großunternehmen nicht benachteiligen“), besserer Alternativfinanzierung und „echter“ Gewerbeordnungs-Reformen aus. Insbesondere wollen sich die GRÜNEN der sozialen Absicherung der „oft in prekären Verhältnissen arbeitenden“ Klein-Unternehmen widmen. Es ginge ihr nicht um „schöne Worte“, sondern um „sinnvolle Inhalte“. Komplettes Interview

Christian Kern umschiffte meine Fragen zumeist mit der Aussage: „Unsere Zielgruppe ist die erwerbstätige Mittelschicht, die – ob selbständig oder unselbständig – einen gewissen Lebensstandard erarbeitet hat und heute unter immer stärkeren Druck gerät.“ Er sieht seine SPÖ als einzige Mittelschichts-Partei: Wir sind für die LeistungsträgerInnen da, jene 95 Prozent, die jeden Tag früh aufstehen, arbeiten gehen und sich anstrengen müssen. Für diese 95 Prozent machen wir Politik.“ Als entsprechende SPÖ-Leistungen verweist er auf Steuerreform, Bildungsreform, Gemeinden-Investitionspaket aber auch auf die KMU-Investitionszuwachsprämie, Lohnnebenkostensenkung, Forschungsförderung etc.
Komplettes Interview

Um auch ohne Interview etwas über Sebastian Kurz’s Positionen sagen zu können, habe ich aus seiner Website ein paar für Wirtschaft und Wertegemeinschaft Mittelstand relevante Aussagen herausgesucht: „Ich bin für Leistungsorientierung: Man wird für das geschätzt, was man tut und nicht, was man ist.“ Über Eigenverantwortung: „Der Mensch ist sich selbst und seinen Mitmenschen gegenüber für seine Handlungen verantwortlich. Er soll seine Entscheidungen selbst treffen und seine Talente frei entfalten.“ Zu Wirtschaft: „Österreich braucht eine niedrige Steuer- und Abgabenquote und weniger Bürokratie.“ Zur Politik: „Wir glauben fest daran, dass es eine neue politische Kultur in unserem Land braucht – weg von faulen Kompromissen und politischem Tauschhandel.“

Wer bei der Nationalratswahl profitieren wird
Meine Zusammenfassung: SPÖ und ÖVP sind gemeinsam für die schlechter werdenden Rahmenbedingungen für KMU und Freiberufler verantwortlich. Kern zielt in dem Zusammenhang weniger auf eine Wertegemeinschaft Mittelstand als auf die numerische Zielgruppe Mittelschicht ab. Kurz verspricht immerhin eine neue Bewegung und neue ÖVP – wie viele Leistungen für den Mittelstand in seinem politischen Programm stecken werden ist noch abzuwarten. Die Oppositionsparteien tun sich leicht eine Pro-Mittelstands-Haltung zu behaupten, sie haben jedoch noch keine oder nur sehr partiell Regierungs-Verantwortung übernommen. In ihrer öffentlich sichtbaren Kommunikation – für die sie ja auch verantwortlich sind – steckt nur sehr wenig Mittelstand. Man muss der Opposition aber zugeben, dass sie alle in der parlamentarischen Arbeit schon viele Mittelstands-freundliche Anträge eingebracht haben, vielleicht die NEOS, die FPÖ und das Team Stronach etwas mehr als die GRÜNEN. Letzteren und den NEOS muss man außerdem zu Gute halten, dass sie sehr starke Unterstützer von innovativen und nachhaltigen Startups sind. Allen –Regierungs- und Oppositionsparteien – muss man aber vorhalten, dass sie mit Partikular- und Klientel-Politik keine ganzheitliche Linie haben und sich generell zu wenig gegen die Aushöhlung des Mittelstandes einsetzen. Denn der Mittelstand will nicht mehr der nützliche Idiot sein, der rücksichtslosen Konzernen, im geschützten Raum Arbeitenden und Mindestgesicherten ein gutes Leben beschert. Eines steht fest: Diejenige Partei die sich jetzt noch am klarsten für die Ziele und Werte des Mittelstands engagiert wird bei der Nationalratswahl davon sehr profitieren.

Jetzt sind Sie am Wort!
Sagen Sie, liebe Leser und Mitglieder der Wertegemeinschaft Mittelstand, uns doch auch Ihre Meinung dazu: Schreiben Sie uns zu den zwei Fragen:

a) Was fordere ich von der Politik, damit der Mittelstand zu den notwendigen besseren Rahmenbedingungen kommt?
b) Was kann der einzelne Unternehmer/ die einzelne Unternehmerin tun, um sich mit seinem/ihrem Betrieb besser durchzusetzen?

Bitte senden Sie uns ihre ganz persönlichen Erfahrungen und Ansichten, gerne darunter auch 2 Zeilen über Ihr Unternehmen & Kontaktdaten; bitte auch Porträt-Foto mitsenden. Wir werden so viele wie möglich veröffentlichen: office@lusak.at oder b.salomon@a3verlag.com. In meinen seit 2 Jahren durchgeführten Gesprächen mit möglichst allen Nationalrats-Parteien habe ich dort schon öfter auch individuelle strategische Ansätze im Sinne des Mittelstands eingebracht, vielleicht kann in Zukunft auch eine Idee oder ein Vorschlag von Ihnen dazu kommen …

Wolfgang Lusak
Unternehmensberater und Lobby-Coach Mag. Wolfgang Lusak
office@lusak.at ; Schulgasse 18, 1180 Wien, tel 01/ 315 45 36

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