Wir veröffentlichen diesen Artikel bzw. Gastkommentar von der von mir sehr geschätzten Chefredakteurin (Wirtschaftsnachrichten Donauraum -WND) Dr. Marie-Theres Ehrendorff im Lobby der Mitte-Blog um den österreichischen Mittelstands-Betrieben die Gelegenheit zu geben, sich zum Thema CETA weiter sachlich zu informieren, damit sie ihre Chancen dabei besser einschätzen können. Dieser Artikel ist auch als Leitartikel im letzten WND zu lesen gewesen.
Ich muss zugeben, dass ich zu Anfang vor allem bei TTIP u.ä. Vorläufern (TTIP ist ja nicht zustande gekommen, der Zollkrieg ist ja wohl das Gegenteil) ziemlich skeptisch war und verweise unten dann auch noch auf unsere damalige Veröffentlichung.
CETA: Chancen für den Mittelstand: Bereits von der Regierung im Ministerrat abgesegnet, ist das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada noch dieses Jahr zu ratifizieren. Für KMU eine veritable Chance auf gute Export-Geschäfte. (von Marie-Theres Ehrendorff)
Für viele Menschen sind Vereinbarungen wie Freihandelsabkommen schwer verständliche Kost. Nichtsdestotrotz wissen wir, wie vorteilhaft ein globales Welthandelsabkommen für die heimische Wirtschaft wäre: 56.000 Unternehmen leben hierzulande vom Außenhandel.
Österreich ist eine Exportnation: Sechs von zehn Euro sowie jeder zweite Arbeitsplatz sind vom Außenhandel bestimmt. Neben dem EU-Binnenmarkt sind vor allem Handelsabkommen mit Staaten außerhalb Europas ein wesentliches Instrument, um Exporte zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen. Handelsabkommen sind für österreichische Betriebe
eine Chance, die Regeln der Globalisierung nach den Vorstellungen und Interessen der heimischen Unternehmer zu gestalten. Kanada ist Österreichs 26-wichtigster und für die Europäische Union der elft-wichtigste Handelspartner und somit für 1,8 Prozent des gesamten europäischen Außenhandels verantwortlich. Das entspricht einem Volumen von über 63 Milliarden Euro im Jahr 2015.
Für Kanada ist die Europäische Union nach den USA sogar der zweitwichtigste Handelspartner und für fast zehn Prozent des gesamten kanadischen Außenhandels verantwortlich. Ein funktionierendes globales Welthandelsabkommen könnte den Wohlstand von Milliarden Menschen sichern, indem Millionen Jobs geschaffen würden, was ein prosperierendes Wirtschaftssystem zur Folge hätte. Dass es dennoch schwer umsetzbar ist, dürfte wohl unter anderem darin liegen, dass einflussreiche Gruppen zu Verlierern werden, die aktuell auf Kosten anderer ihren Profit einfahren. US-Präsident Donald Trump hat der Hoffnung auf den freien Welthandel einen ordentlichen Dämpfer verpasst und das handelspolitische wie sicherheitspolitische Klima zwischen den vier Mächten Amerika, China, Russland, Europa empfindlich gestört.
Abkommen zum Abbau von Handelsbarrieren
Das EU-Kanada-Abkommen wurde im Oktober 2016 von der damaligen Bundesregierung unter Christian Kern genehmigt und unterzeichnet und wird bereits seit 21. September 2017 vorläufig praktiziert. Diese Vereinbarung baut Zölle und Handelshemmnisse ab und erleichtert damit vor allem den kleinen und mittleren österreichischen Unternehmen den Zugang zu einem Markt mit mehr als 35 Millionen Menschen. Das Abkommen zeigt bereits Wirkung: Seit dem vorläufigen Inkrafttreten sind Österreichs Exporte nach Kanada um knapp ein Viertel, Lebensmittel-Exporte sogar um über 40 Prozent gestiegen. CETA ist ein Handelsabkommen der neuen Generation, d.h., es geht heute nicht mehr nur darum, Zölle und Quoten abzuschaffen, sondern gemeinsame Standards zu entwickeln, wodurch ein Produkt nicht mehr auf beiden Seiten zertifiziert werden muss, bevor es zugelassen wird.
CETA bedeutet wörtlich: Comprehensive Economic and Trade Agreement, also ein umfassendes Abkommen und somit neben dem Güterhandel auch für Dienstleistungshandel und Direktinvestitionen relevant, wie den Aufbau von Produktionsstätten oder Vertriebsnetzwerken im Ausland. Durch das 1598 Seiten starke Abkommen soll die Position der EU auf dem weltweiten Markt gestärkt werden. Der Vertrag schreibt fest, dass kanadische Dienstleister freien Zugang zum EU-Markt bekommen, was umgekehrt auch für Dienstleister aus der EU gilt, wobei öffentliche Dienstleistungen, wie Wasser oder Schulen ausgenommen sind. Europäische Unternehmen bekommen außerdem Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen in Kanada. Die meisten Zölle im Handel zwischen der EU und Kanada werden derzeit bereits ausgesetzt, wie etwa bei Industriewaren. Außerdem wird es einfacher, Dienstleistungen in Kanada anzubieten. Hohe europäische Standards, wie beispielsweise in den Bereichen Umweltschutz und Soziales, werden dabei gesichert. Das EU-Kanada-Abkommen wahrt das volle Regulierungsrecht der Staaten und schützt unsere hohen Standards, u.a. bei Lebensmitteln, Verbraucherschutz, Gesundheit, Umwelt- und Arbeitsschutz. Das transparente öffentliche Investitionsgericht ersetzt private Schiedsgerichte. Ein transparentes ständiges Investitionsgericht mit Berufungsinstanz wird zur Streitschlichtung eingesetzt. Es besteht aus von der EU und Kanada ernannten unparteiischen Richtern.
Investorenschutz als Knackpunkt
Das Freihandelsabkommen brachte den Investorenschutz erstmals ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Durch den Widerstand gegen CETA von Teilen der Bevölkerung teilte die EU das Abkommen, um den handelsrechtlichen Teil – rund 90 Prozent des Inhalts – bereits im September des Vorjahres in Kraft treten zu lassen. In den verbleibenden zehn Prozent ist jener Passus, der die Kritiker auf die Straße treibt, die sich auch mit der bereits entschärften Version nicht zufriedengeben wollen. In Österreich haben eine gute halbe Millionen Menschen das Volksbegehren gegen CETA unterschrieben. Diese Gruppe wollte damit bezwecken, dass das Parlament der Regierung verbieten sollte, diesem Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada zuzustimmen. Die österreichische Verfassung sieht nun vor, dass der Nationalrat darüber beraten wird. Der endgültige CETA-Verhandlungstext liegt seit Februar 2016 in englischer Sprache vor, wo auch der kontrovers diskutierte Investitionsschutz samt Investor-Staat-Streitbeilegung in Absprache mit den kanadischen Verhandlungspartnern den modernisierten Investitionsschutzregelungen der Europäischen Kommission angepasst wurde. Unterzeichnet wurde CETA im Oktober 2016 vom kanadischen Premier Justin Trudeau sowie von Vertretern der EU-Kommission. Österreich gehört zu den ersten Mitgliedsländern der EU-28, die das Abkommen ratifizieren werden. Bisher haben neben Kanada nur Dänemark, Spanien, Malta, Portugal, Kroatien und Tschechien den Ratifizierungsprozess abgeschlossen bzw. sind in der Zielgeraden, das zu tun.
Vor der Übernahme der österreichischen Ratspräsidentschaft im Juli könnte der Nationalrat am 14. Juni abstimmen (hat er schon). Dann könnten auch die Vertreter jener politischen Gruppierungen dafür stimmen, die sich vor der Nationalratswahl noch gegen das Handelsabkommen stark gemacht haben. Die Wirtschaft könnte es als einen Sieg über die Vernunft feiern, schaffen doch Unternehmer die Arbeitsplätze und den Wohlstand im Land – was im Wahlkampf oft gerne vergessen wird.
Vertragsinhalte von CETA im Überblick:
Nach fünf Jahren teilweise mühsamer Verhandlungen wurde den EU-Mitgliedstaaten im Sommer 2014 ein gemeinsamer konsolidierter Abkommenstext präsentiert. Anlässlich des EU-Kanada-Gipfels am 26.9.2014 wurde der Abkommenstext in Englisch auch der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Im Warenverkehr werden sowohl die Abschaffung bzw. die Reduktion von Zöllen in allen Wirtschaftsbranchen bei Inkrafttreten des Abkommens österreichischen Firmen den Zugang auf die kanadischen Märkte erleichtern. Ein noch größerer Effekt wird von der verbesserten und intensiveren Zusammenarbeit auf dem Gebiet der ungerechtfertigten sogenannten nicht-tarifären Handelshemmnisse erwartet, sobald das Abkommen umgesetzt sein wird. Die Möglichkeiten, europäische Firmen bei der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen in Kanada zu diskriminieren, konnten in den Verhandlungen, abhängig von der jeweiligen kanadischen Provinz, deutlich reduziert werden. Auch EU-Anbieter von Dienstleistungen werden im Hinblick auf verbesserte Marktzugangsmöglichkeiten und Regulierungen profitieren. Das Prinzip der Nicht-Diskriminierung erleichtert ebenfalls den Marktzugang für gegenseitige Investitionen. Die ausverhandelten Investitionsschutz-Bestimmungen gehörten bereits 2014 zu den international modernsten. Kanada wird für bestimmte europäische und auch österreichische geografische Herkunfts-bezeichnungen die rechtlichen Schutzbestimmungen verstärken.
Weiterer Gastbeitrag von Hanno Lorenz, Ökonom bei der Agenda Austria CETA:
Ein Vertrag für die Kleinen
Ob Strafzölle oder Brexit: protektionistische Tendenzen bestimmen die aktuelle Handelspolitik. Das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA droht zusammenzubrechen, aus dem transpazifischen Abkommen TPP sind die USA ausgestiegen, TTIP wurde auf Eis gelegt. Deshalb ist es ein wichtiger Schritt, CETA zu ratifizieren. Österreich übernimmt zusammen mit der EU Verantwortung und stellt sich auf die Seite des Freihandels. Damit die Erfolgsgeschichte der Globalisierung, die nicht nur Millionen von Menschen aus der Armut befreit hat, sondern auch den Wohlstand in Österreich erheblich steigern konnte, fortgesetzt wird. Wäre das Abkommen an Österreich gescheitert, hätte das weitreichende Folgen für die gesamte Handelspolitik gehabt. Über all den Protesten und Einwänden steht nämlich eine fundamentale Frage: Mit wem wollen wir denn eigentlich noch Handel betreiben, wenn wir nicht einmal mit Staaten wie Kanada handelseins werden?
Abgesehen davon hält ein Großteil der Kritik einer sachlichen Überprüfung nicht stand. So behaupten Gegner, CETA würde nur Konzernen helfen. Das Gegenteil ist der Fall: 2016 verkauften 56.000 österreichische Unternehmen ihre Erzeugnisse ins Ausland, bei den meisten dieser Betriebe handelt es sich um kleine und mittelständische Firmen. Über 93 Prozent aller Betriebe beschäftigen weniger als zehn Mitarbeiter. Die Abschaffung der unterschiedlichen Produktstandards durch CETA wird speziell kleineren Unternehmen zugutekommen, die „Großen“ brauchen keine Abkommen, sie errichten einfach Produktionslinien in den betreffenden Ländern. Kleinere Betriebe können sich dies nicht leisten. Ein ständiges Umrüsten auf den jeweiligen Standard ist oftmals zu kostspielig.
Auch die Standards werden mit CETA nicht sinken. Auf hohem Schutzniveau soll es gemeinsame Standards geben, die gegenseitig anerkannt werden. Davon profitieren insbesondere kleine Betriebe. Die Alternative wären aufwendige Prüfverfahren, die für kleinere Anbieter zu teuer kämen, womit es ihnen unmöglich wäre zu exportieren.
Neben den Anpassungen gemeinsamer Standards stehen der Investitionsschutz und die Schiedsgerichte stark in der Kritik. Auch hier ist Angst ein enger Verbündeter der Kritiker. Der Investitionsschutz in diesen Abkommen kann aber weder dazu missbraucht werden, österreichische Schutzstandards auszuheben, noch entscheiden diese Gremien mehrheitlich gegen die Staaten.
Für eine kleine Volkswirtschaft wie Österreich ist der Handel ein wichtiges Instrument, um den Wohlstand zu heben. Die Hälfte der hierzulande produzierten Waren wird ins Ausland verkauft. CETA wird der Wirtschaft mit neuen Märkten und den Konsumenten mit sinkenden Preisen helfen.
Zum Vergleich verweise ich auf einen TTIP-Gastkommentar von Günther Grassl in unserem Blog aus dem Herbst 2015: So akzeptiert der Mittelstand TTIP und nur so – man kann da schon von deutlichen Unterschieden zwischen der damaligen TTIP-Fassung und der neuen CETA-Vereinbarung sehen.