Parteien, schaut Euch in den Spiegel!

Lusaks politischer Kommentar im Jänner 2019: 
Angesichts Gelbwesten-Protesten, Brexit-Chaos und der bevorstehenden EU-Wahl ein Appell an die etablierten europäischen Parteien, sich selbst neu zu überdenken und damit letztlich Europa zu retten (unten auch die Links zu den Veröffentlichungen dieses Artikels in KURIER und Bürgermeister Zeitung)

WIE KOMMEN WIR DA JE RAUS?
PARTEIEN UND EU-PARTEI-FRAKTIONEN, SCHAUT EUCH DOCH BITTE IN DEN SPIEGEL!

Nach bald 20 Jahren im 3. Jahrtausend unserer Zeitrechnung schaut die Situation dieser Welt nicht nur dramatisch aus, sie ist dramatisch: Wenn unser Klima in eine neue Heiß-Zeit kippt. Wenn die Monopol-Konzerne – ich nehme da die verantwortungsvoll handelnden ausdrücklich aus – weiter Shareholder Value über Nachhaltigkeit und Menschenrechte stellen. Wenn die Menschheit weiter anzahlmäßig wächst und dabei die für sie notwendigen Nahrungs-, Rohstoff- und Sauerstoff-Quellen zerstört. Dann wird ein Kampf ums Dasein entstehen, wie wir ihn in den schlimmsten Gesellschaftszerfall-Szenarien und Katastrophen-Filmen noch nicht gesehen haben.

Es würde besonders in den großen Städten nicht die hübschen Smart City-Visionen von tadellos funktionierendem Zusammenleben realisiert werden, sondern blutige Machtkämpfe zwischen Ausweglosen, Kriminellen, Extremisten, Religionsgruppen, etablierten Macht-Institutionen, Konzern-Interessen etc. entstehen. Und viele Zeichen deuten in diese Richtung.

Egozentrische Netzwerke dominieren die Welt
Das größte Problem ist, dass unsere westliche Demokratie und Politik nicht mit der Entwicklung Schritthalten kann und gegenüber gefährlichen globalen Netzwerken wie den alles beherrschenden Daten-Konzernen, strenggläubigen Patriarchats-Einheiten und mafios-korrupten Wirtschaftsstrukturen immer hilfloser statt durchsetzungsfähiger agiert.

Die UNO kann nationalen aber weltweit wirksamen Hegemonial-, Dominanz- und Kriegs-Bestrebungen zu wenig entgegensetzen. Die EU hat ein großartiges
Friedens- und Partnerschafts-Projekt realisiert, sie sieht sich jetzt aber zunehmenden Abspaltungs-, Uneinigkeits- und Schwächungs-Bestrebungen gegenüber – und hat aktuell ein Vorsitz-Land, in welchem Korruption mehr denn je dominiert statt zurückgedrängt wird.

Gelb-Westen als große Warnung
Viele der etablierten europäischen Parteien suchen nun ihr Heil in wenig Gesamtlösungs-orientierten, dafür aber kurzfristige Detail-Aspekte ansprechenden, weitere Spaltung provozierenden, als unehrlich empfundenen und auch intellektuell unhaltbaren Programmen. Die explosive französische Gelb-Westen-Revolte ist eines der Ergebnisse einer Politik, welche die Menschen nicht mehr verstehen können. Sie erzeugt Verzweiflung, Zorn bis hin zu panischer Zerstörungswut.

Jetzt, im Brexit-Chaos und ziemlich knapp vor der ziemlich wichtigen EU-Wahl ist es höchste Zeit, dass sich die europäischen Parteien – und damit natürlich auch die österreichischen – in den Spiegel schauen und eine ehrliche Antwort auf die Frage nach ihren Fundamenten, Positionen und Strategien suchen.

Wir halten Euch einen Spiegel vor: Diese von den europäischen Parteien bzw. Parteifraktionen zu beantwortenden Fragen!

An die Volksparteien/Christdemokraten: Denkt Ihr noch manchmal daran, dass es schon viele von Menschen verschuldete Weltwirtschaftskrisen gegeben hat, die aus dem Größenwahn einiger Spekulanten, Investment-Banken und Finanz-Jongleure entstanden sind? Glaubt ihr wirklich daran, dass die Weltwirtschaft ihr vom Kapitalismus geprägtes rein quantitatives Wachstums-Gebot aufrecht erhalten kann und wird? Dass alle diesbezüglichen Warner, beginnend beim Club of Rome, nur ahnungslose Pessimisten sind? Könnte es mit Euch und „sehr erfolgreichen“ Lobbyisten zusammenhängen, wenn bis heute keine Digitalsteuer für Daten-Konzerne und keine Kapitaltransaktion-Steuer in der EU beschlossen werden konnte? Solltet Ihr nicht mehr an „Eure“ bürgerlichen, mittelständischen aber vernachlässigten Kernwähler denken, die regionales, innovatives, nah versorgendes Qualität-Wachstum schaffen und als Problemlöser bestens geeignet sind?

An die Sozial-Demokraten: Habt Ihr mit Eurer Willkommenskultur nicht deutlich überzogen und Eure längst schon sinkende Stammwählerschaft rettungslos überfordert? Habt Ihr nicht mit der ständigen, einseitigen Betonung der Sozial-Schwachen-Betreuung, des bedingungslosen Grundeinkommens und des Menschenrechtsthemas dazu beigetragen, dass ohnehin schon massiv zur Steuerkasse gebetene Leistungsträger, sich nach ursprünglichem Umfeld sehnende Mittelschichtler und -ständler noch mehr rechts-konservativ gewählt haben? Dass Ihr durch die institutionalisierte, hohe Anonymisierung des sozialen Beistands für Bedürftige, durch die Automatisierung des Sozialstaates die Freude der Geber, die Dankbarkeit der Nehmer und damit den persönlichen Kontakt zwischen Hilfsbereiten und Bedürftigen ziemlich ruiniert habt (was bei „Licht ins Dunkel“ noch funktioniert)? Dass ihr in zu vielen Fällen eine Anspruchsgesellschaft geschaffen habt, die nicht mehr fragt, woher ihre Versorgung kommen soll?

An die Grünen: Hat Euer höchst ehrenwerter Kampf für die Umwelt und gegen den Klimawandel noch irgendwas mit Eurem Kampf gegen alles was Rechts ist zu tun oder ist das eher nur mehr ein historisch-ideologischer, das Identitäts-Bedürfnis einer radikalen bis abgehobenen Führungsschicht bedienender Reflex? Nationalismus, Rassismus und Rechtsextremismus sind (ebenso wie Linksextremismus) abzulehnen, aber sind nicht die wahren Klimakiller in den Reihen der Umwelt zerstörenden und kriegstreibenden Konzerne zu suchen?

An die Grünen und Sozial-Demokraten und Links-Parteien gemeinsam: Habt Ihr vielleicht Euren berechtigten Kampf gegen einen überbordenden, manipulativen und alles dominierenden Kapitalismus etwas versanden lassen, weil es in eigener Regierungsverantwortung immer ganz schön war auch ein paar „starke Wirtschaftspartner“ zur Seite und nach individuellem Ausscheiden aus der Politik ein paar gute Job-Angebote zu haben?

An die Liberalen: Wollt ihr weiter den Eindruck erwecken, dass ihr zwischen von anderen Parteien vorgegebenen Positionen hin- und her-laviert oder doch lieber einmal konkrete Zielgruppen mit ganz konkreten Angeboten ansprechen und damit wirklich groß werden? Der klassische Liberalismus bietet genug Anregungen.

An die Nationalen/Rechts-Parteien: Wollt Ihr je als demokratiefeste und verlässliche Partner der Europäer angesehen werden? Wollt Ihr darüber nachdenken, ob es eine gute Entscheidung ist Links-Populismus mit Rechts-Populismus zu bekämpfen? Wollt Ihr wirklich Verantwortung auch in globalen Fragen und Übereinkommen tragen? Habt Ihr Euch von allem unmissverständlich distanziert, was so manche Eurer Vorväter an grauenhaften Fehlern und Verbrechen begangen haben?

An alle Parteien: Es sind vermutlich ein Drittel der europäischen Wähler, die sich zu den Werten Leistung, Eigentum, Nachhaltigkeit und Fairness bekennen. Dieses Drittel sind die wahren Nettozahler des Steuersystems, sie übernehmen Verantwortung und tragen – ganz im Sinne Kennedys – gerne etwas für die Gemeinschaft bei. Wollt Ihr alle Euch nicht endlich vermehrt um diese Wähler kümmern?

Wenn nun die Parteien-Vertreter nach dem Lesen dieses Kommentars meinen, ich hätte alles ganz richtig hinterfragt, nur bei ihrer eigenen Partei gründlich daneben gehaut – dann hab ich vielleicht doch so einiges getroffen … nochmals allen Parteien alles Gute im neuen Jahr!

LINKS ANSEHEN: Dieser Artikel ist mittlerweile sowohl in der Bürgermeister Zeitung als auch (als gekürzte Fassung) im KURIER erschienen

Mag. Wolfgang Lusak ist Unternehmensberater, Lobby-Coach und Mittelstands-Aktivist. www.lusak.at (Lusak Consulting) bzw. www.lobbydermitte.at (Lobby der Mitte)

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