Husch-Pfusch-Gesetze in der „regierungslosen“ Zeit

Lobby der Mitte bringt einen von Gemeindebund-Generalsekretär Dr. Walter Leiss am 2.9.19 im KOMMUNAL veröffentlichten Kommentar über die bedenklichen bis negativen Auswirkungen des „freien Spiels der Kräfte“ im österreichischen Nationalrat in Zeiten ohne gewählte Regierung bzw. mit einer Übergangs-Regierung. Als „Sternstunden“ des Parlamentarismus titelt er mit feiner Klinge und nicht ohne Ironie seinen Kommentar und spricht dabei auch die sogenannte Husch-Pfusch-Gesetzgebung an. Das alles ist auch für den unternehmerischen Mittelstand relevant, der dann mit seinen Steuern z.B. die Ausgaben für großzügige Pensionserhöhungen und mit seinen Budgets z.B. höhere Treibstoff- und Heizkosten wird zahlen müssen.

„Sternstunden“ des Parlamentarismus

von Dr. Walter Leiss (Foto KOMMUNAL)

Das „freie Spiel der Kräfte“ im Parlament in Kombination mit der Vorwahlzeit lässt teure Wahlzuckerln befürchten. Und in der Tat folgt derzeit ein Initiativantrag dem anderen. Die Aufkündigung der Koalition und die Ausrufung von Neuwahlen bei gleichzeitig erfolgreichem Misstrauensantrag gegenüber der gesamten Bundesregierung, hatte die Einsetzung einer „Übergangsregierung“ zur Folge.

Damit wurden auch viele Gesetzesvorlagen, die im Verhandlungsstadium waren, nicht mehr von der Regierung ans Parlament weitergeleitet. Dafür wurde nun das Parlament aktiv und eine Reihe von Gesetzesanträgen mit Initiativantrag der Abgeordneten ins Hohe Haus gebracht. Man kann diesem Weg durchaus kritisch gegenüberstehen, aber unser Parlamentarismus funktioniert so, dass die Mehrzahl der Gesetzesbeschlüsse als Regierungsvorlagen ans Parlament zur Beschlussfassung weitergeleitet werden.

Am Beginn dieses Prozesses steht ein Sachverhalt, der einer gesetzlichen Regelung bedarf. Ein Entwurf wird auf Basis der einzelnen Ministerien erstellt und nach intensiven Diskussionen mit Experten und mitunter Betroffenen eine Regierungsvorlage erstellt. Diese Vorlage wird einem mehrwöchigen Begutachtungsverfahren unterworfen, wo nochmals viele Einrichtungen ihre Stellungnahmen abgeben können. Erst nach einer Überarbeitung wird die Regierungsvorlage vom Ministerrat dem Parlament zur Beschlussfassung vorgelegt. Natürlich kann es auch noch im Parlament zu Änderungen kommen, aber üblicherweise wird das was von der Regierung vorgelegt wurde, auch von der Mehrheit beschlossen. Die Regierung stützt sich ja auch auf eine Mehrheit im Parlament.

Üblicherweise.

Vorwahlzeit lockt zum Verteilen von Geschenken

Denn wenn während der Legislaturperiode eine Koalition aufgelöst wird, oder generell im Zeitraum vor einer Wahl, herrschen plötzlich andere Gesetze. Das sogenannte „freie Spiel der Kräfte“ zieht ins Hohe Haus ein. Plötzlich gibt es für verschiedene Vorlagen neue Mehrheiten. Die Vorwahlzeit ist zu verlockend, um nicht doch noch Geschenke zu verteilen. Und obwohl es Initiativen gab, dass sich das Parlament in dieser Zeit selbst beschränkt, konnten dem nicht alle Parteien zustimmen. Stabilitätspakt, Schuldenbremse oder das Ziel, einen ausgeglichen Haushalt oder gar einen Überschuss zu erzielen, gelten plötzlich nicht mehr. Die Folgen muss ja sowieso die nächste Regierung verantworten.

„Husch-Pfusch-Aktionen“ im Parlament

Von vielen wurde dies als Sternstunde des Parlamentarismus bezeichnet. Dass jetzt über Initiativantrag Gesetze beschlossen werden, sieht die Verfassung vor. Aber das Parlament hat weder die Ressourcen, sorgfältig erarbeitete Gesetzesvorlagen zu erstellen, noch die Möglichkeiten, ein Begutachtungsverfahren durchzuführen. Husch-Pfusch-Aktion sagen deswegen andere.

Die Abschaffung des Pflegeregresses ist ein Musterbeispiel dafür. Nicht nur der Umstand an sich, sondern vielmehr die Art der Ausführung und die Formulierungen. Stundenlang wurde in vielen Sitzungen danach diskutiert, was einzelne Formulierungen bedeuten sollen. Und nicht verwunderlich ist auch, dass Betroffene und Experten plötzlich beklagen nicht mehr eingebunden zu werden (wie dies beispielsweise beim Gewaltschutzpaket der Fall ist).

Der September kann noch teuer kommen

Im Juni ist es schon heiß hergegangen im Parlament. Und das war nicht nur den hohen Außentemperaturen geschuldet. 1,2 Milliarden an budgetwirksamen Mehrausgaben hatten diese Sitzungen zur Folge. Und dabei steht der große Kehraus noch im September bevor. Wer auch immer danach in der Regierung ist, wird sich damit herumschlagen müssen. Wie breit gestreut hier die Themen sind, zeigen zwei Beispiele. Eines davon ist der Klimanotstand. Alle haben nun das Klima entdeckt und Gemeinden, Städte und auch ein Bundesland haben bereits den Klimanotstand ausgerufen. Der Bundesrat wird es als nächstes tun und wahrscheinlich auch noch der Nationalrat. Die Begeisterung und Zustimmung dafür sind bei vielen vorhanden. Eine bewusstseinsbildende Maßnahme, die ja durchaus eine Berechtigung hat, sagen viele als Begründung.

Welche Folgen werden CO2-Steuern haben?

Man darf aber schon gespannt sein, wenn es um die Umsetzung geht. Jeder einzelne bei sich und bei gesetzlichen Regelungen. Schweizer Wissenschaftler haben darauf verwiesen, dass CO2-Steuern unumgänglich sind. Das bedeutet Steuern nicht nur auf Kerosin im Flugverkehr, sondern auch höhere Steuern auf Diesel und Benzin und Öl und Gas und den Energieeinsatz. Dann wird die Begeisterung nicht mehr so groß sein. Frankreich lässt grüßen. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und Konsum werden erheblich sein. Wie schaut es dann mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit aus, wenn Österreich hier eine Vorreiterrolle einnehmen wird? Das sind nur einige Aspekte, die sich beliebig fortsetzen ließen.

Für die Pflege braucht es ein Gesamtkonzept

Das andere ist die Valorisierung des Pflegegeldes, die noch vor dem Sommer beschlossen wurde. Eine Forderung, die auch der Gemeindebund erhoben hat. Sie sollte jedoch eingebettet in eine Evaluierung und ein Gesamtkonzept sein. Dieses fordert der Gemeindebund schon seit längerem. Genauso wie den Einbehalt des 13. und 14. Bezuges bei stationärem Aufenthalt im Pflegeheim. Vom Gesundheits- und Sozialausschuss des Gemeindebundes, genauso wie in einer einstimmigen Resolution des Bundesvorstandes gefordert. Der Gemeindebund ist damit nicht allein. Bereits in den FAG-Verhandlungen wurde diese Forderungen von allen Ländern und auch vom Städtebund verlangt. Wenn das nun vom Präsidenten öffentlich in Erinnerung gerufen wird und dies Rücktrittsaufforderungen, anscheinend dem Vorwahlfieber geschuldet, nach sich zieht, fehlt dafür jegliches Verständnis und kann nur der sommerlichen Hitze zugeschrieben werden.

Wir werden sehen ob, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen zu setzen, die Initiatoren der Ausrufung des Klimanotstandes genauso schnell vergessen haben, was sie vor einigen Monaten beschlossen haben, wie beim Einbehalt des 13. und 14. Bezuges. Die in der Vorwahlzeit beschlossenen Gesetze werden jedoch Gültigkeit und ihre Nachwirkungen haben. Ob sie allerdings als Sternstunden des Parlamentarismus in die Geschichte eingehen, darf bezweifelt werden.

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