Neuer Lusak-Kommentar: Angesichts einer gewissen Orientierungslosigkeit und zunehmender Spaltung unsere Gesellschaft, angesichts permanent steigendem Arbeitsdruck und zunehmender Unfähigkeit mit Konflikten umzugehen, angesichts bedrohlichen Klimaveränderungen und vermehrtem Absens von Stille, Besonnenheit, Geist und Begeisterung möchte ich eine Lanze für mehr Gegenwart von Geist brechen.
GEISTES GEGENWART
Es ist glaube ich jedem schon öfter passiert, dass er sich nach einem Gespräch, einem überraschenden Zuruf, nach einer herausfordernden Situation oder auch einem Streit denkt: Warum bin ich still geblieben? Oder weshalb habe ich so einen Blödsinn geredet, obwohl ich eigentlich etwas ganz anderes hätte sagen sollen? Wieso war ich unnötig aufbrausend oder habe feige geschwiegen? Wieso ist mir DAS nicht eingefallen, was ich jetzt – im Nachhinein – ganz klar als die einzig richtige Antwort oder Reaktion erkenne? Aber jetzt ist es zu spät, denke ich mir, ich habe es versäumt mich richtig auszudrücken. Es wäre toll gewesen, wenn mir DAS eingefallen wäre, aber ich war wie gelähmt. Ich könnt‘ mich wohin beißen. Aber bei der nächsten Gelegenheit … wird es mir genauso gehen. Weil mir die Geistesgegenwart fehlt.
Die ständige Gegenwart des Geistes
Aber Achtung, Geistesgegenwart ist nicht Schlagfertigkeit, die nur so darauf lauert, den anderen zu zeigen, dass man sich nichts gefallen lässt. Wer schlagfertig ist, der weiß gleich eine Antwort, die vermutlich ironisch bis spitz und bissig ausfällt, sie will ja den anderen schlagen. Und nebenbei, wer sich nichts gefallen lässt, dem gefällt auch nichts in dieser Welt, der ist unglücklich. Die immer kampfbereite Schlagfertigkeit kann in der Situation nicht richtig entscheiden, ob eine scharfe oder eine milde Reaktion angebracht ist. Sie ist daher nur die kleine, unbändige und gefährliche Schwester der Geistesgegenwart.
Wahre Geistesgegenwart hat man, wenn man bei sich ist und gleichzeitig beim anderen. Das bedeutet in seiner Mitte zu ruhen und ein Bewusstsein für die Mitte der Gesellschaft und des Lebens überhaupt zu haben, also ausgeglichen zu sein. Sich jederzeit seiner Wertvorstellungen und Handlungen bewusst zu sein. Es bedeutet ein meditatives Leben zu führen, welches immer nach der Balance zwischen individuellen Bedürfnissen, mitmenschlichen Anforderungen und universalen Gesetzen sucht. Es bedeutet die ständige Gegenwart des Geistes.
Das eigene Schicksal in die Hand nehmen
Erringen kann man Geistesgegenwart nach meiner Anschauung nur durch ständige Übung des Geistes. Das hat nicht zentral mit Bildung, Wissen und Rhetorik zu tun, diese sind erst die notwendigen Folgen der Geistesgegenwart. Daher darf man nicht mit oberflächlichen Ausbildung in Richtung Auftreten, Gestik, Mimik, Stimmlage, Argumentation, Konfliktarbeit und Verhandlungstechnik beginnen. Der Anfang liegt in der Findung der Stille, des Innehaltens, der inneren Ruhe. Im Weiteren in der Entfaltung seiner inneren Kraft, in ruhiger Betrachtung, der Kontemplation. Im Finder seiner Mitte zwischen dem Einen und dem Ganzen, zwischen Erde und Himmel, in der Meditation. In einem mentalen Training, welches in uns Selbstbewusstsein, Selbstdisziplin und Selbstkonditionierung entwickelt. In Richtung eines Stress-reduzierten, souveränen also selbst gestalteten aber auch hingebenden und im wahren Sinne erfolgreichen Lebens.
Der bekannte Mediziner und Autor Prof. Johannes Huber spricht in letzter Zeit sehr häufig darüber, dass es möglich ist, dem Schicksal und dem „Schicksalhaften“ zu entrinnen, indem man mutig, kreativ und selbstbestimmt sein Leben gestaltet. Das glaube ich auch. Und Bruder David Steindl-Rast nennt dazu ganz treffend und bescheiden die notwendigen Fähigkeiten Staunen, Dankbarkeit und Vertrauen.
Mag. Wolfgang Lusak ist Vorsitzender der Mittelstands-Plattform Lobby der Mitte, Unternehmensberater, Seminarleiter und Lobby-Coach www.lusak.at www.lobbydermitte.at
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