Was der Mittelstand von der Regierung und sich selbst erwartet – Auswertung von 50 Interviews

Hier bringen wir eine erste AUSWERTUNG der bisher 50 Interviews mit Chefs und Chefinnen von Mittelstandsbetrieben, die in März und April 2020 bei uns in der Lobby der Mitte zum Thema „Corona – wie schafft das der Mittelstand?“ eingetroffen sind ( 5 stehen noch vor Veröffentlichung)

Auswertung von 50 Interviews mit hervorragenden Chefs und Chefinnen von Mittelstands-Betrieben zum Thema „Corona-Krise – wie schaffen Sie das?“

Haupterkenntnis: Der Mittelstand erwartet sich von der Politik 1. Fairness, 2. Zukunftsweisende, nachhaltige Entscheidungen und 3. Reduktion der Bürokratie

(Qualitative Umfrage: 50 EPU und KMU aus ganz Österreich und sehr vielen verschiedenen Branchen wurden  in März/April 2020  großteils schriftlich interviewt)


Die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst:

  1. Den meisten geht es mittelmäßig gut. Der Großteil der Befragten empfindet seine wirtschaftliche Situation jetzt in der Corona-Krise als mittelmäßig, es geht ihnen also nicht wirklich gut aber auch nicht richtig schlecht. An 2. Stelle stehen diejenigen die ihre Situation als schlecht/eher schlecht einstufen (darunter z.B. Gastro, Hotels, Kleinhandel, Tankstellen), an 3. Stelle sind die sich als gut/eher gut dastehend empfinden (darunter IT-, Entsorgungs-Unternehmen, Handwerker und Steuerberater)
    .
  2. Die 4 Top-Überlebens-Strategien der einzelnen Betriebe sind gleichauf intensivierte digitale Kundenkontakte sowie das Abarbeiten und Ausmisten, dahinter folgt das Entwickeln situationsgerechter Innovationen sowie Kostenreduktion und Kurzarbeit. Als die zwei wichtigsten individuellen Strategien zur Bewältigung der Krise bezeichnen die Befragten den „aktiven Kundenkontakt mit Telefon, Video-Gesprächen, Web-Kommunikation und Online-Angeboten“ sowie das „Abarbeiten, Ballast abwerfen, Ausmisten, Prioritäten setzen“. Dahinter kommt die Entwicklung „neuer flexibler, angepasster Produkte, ein Aufrüsten mit Innovationen“ und wiederum gleichauf „Kostenreduktion und Kurzarbeit“
    .
  3. Für den gesamten Mittelstand sehen die Befragten 3 strategische Schwerpunkte: Nachhaltigkeit-Regionalität, Mut zur Veränderung und (auch) Innovation. Er könne sich am besten – jetzt und nach der Krise – wieder aufrichten, wenn er
    a) sich auf Nachhaltigkeit/Regionalität/Kreislaufdenken/Umwelttechnik einstellt,
    b) (fast gleichauf und verwandt) Mut zur Veränderung/Anpassung aufbringt,
    c) (auch verwandt) innovativ und kreativ arbeitet (neue Produkte und Leistungen)



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  4. Von der Regierung wünscht er sich aktuell in dieser Krise bzw. auch nach der Krise:
    a) Klare Nr.1: Fairness bei der Unterstützung und Besteuerung – statt einer Umverteilung von Mittelstand zu den sozial Schwachen und den Konzernen/Superreichen (die aus deren Sicht nicht nur zu wenig Steuern zahlen, sondern sogar um Unterstützung verhandeln)
    b) Eine langfristige Politik der zukunftsweisenden Entscheidungen,
    des Lernens aus allen bisherigen Fehlentwicklungen, der Nachhaltigkeit und der (Rück-)Verlagerung der Erzeugung vitaler Produkte nach Österreich
    b) (also gleichauf) die Reduktion der Bürokratie –
    sowohl bei den Unterstützungen als auch generell, als grundsätzliche Entlastung
    c) Rasche Hilfe beim Erhalt der Liquidität
    (naturgemäß von Branchen mit geringem Eigenkapital-Anteil)
    d) Die Einschränkungen rasch zu beenden – wohl nicht an erster Stelle, weil viele Aufhebungen und Öffnungen knapp bevor stehen bzw. erwartet werden
    e) Ehrlichkeit und Klarheit in der Information
    um sich optimal einstellen zu können (betrifft auch die Erwartungen, Aussichten, Prognosen bez. Inflation, Umverteilung, Konjunktur-Paket, weiteren Förderungen, etc.)
    f) Vermehrte öffentliche Investitionen und Konjunktur-Pakete, dabei auch mehr Infos zu Staats/Firmenbeteiligungen und Schutz vor dem von Investoren/Spekulanten „Gekauft-Werden“
    etc.
    .

Hinweis: Die rund 50 Interviews umfassende qualitative Umfrage unter Chefs und Chefinnen von Mittelstandsbetrieben (EPU, Startups, KMU, Familienbetriebe, Freiberufler) der Plattform “Lobby der Mitte” beleuchtet die Entwicklung aus Sicht des Rückgrats der Wirtschaft: Das Verständnis für die medizinische Notwendigkeit der “Shut down”-Maßnahmen ist groß. Gleichzeitig zeigt sich in einer Mischung aus Sorge und auch Panik, ob a) die richtigen langfristigen strategischen Konsequenzen aus der Corona-Krise, der Weltwirtschaftskrise und der Klimakrise (die aktuelle Trockenheit ist nur eine von unzähligen Warnungen) gezogen werden und b) ob sie selbst – und dabei die besonders negativ betroffenen Teile des unternehmerischen Mittelstands wie Gastronomie, Hotellerie, Lebensmittel-Erzeugung, Kleinhandel, etc. – eine faire Chance bekommen, halbwegs unbeschadet aus der für sie extrem gefährlichen Situation wieder heraus zu kommen.

Die Auswertung im Detail (mit Anzahl Nennungen)

Zur 1. Frage: Wie geht es Ihnen jetzt? Welche Probleme sind durch Corona bei Ihnen im Unternehmen entstanden?

a) Mittelmäßig, teilweise gut, teilweise nicht so gut: 23
b) Schlecht und eher schlecht: 17
c) gut und eher gut: 10

2. Frage: Was ist jetzt Ihre spezifische unternehmerische Strategie mit der Corona-Krise umzugehen um nachher möglichst gestärkt daraus hervorzugehen ? (Mehrfachnennungen waren möglich)

a) Aktiver Kundenkontakt mit Telefon, Video-Gesprächen, Web-Kommunikation und Online-Angeboten: 16
a) (gleichauf) Abarbeiten, Ballast abwerfen, Ausmisten, Prioritäten setzen: 16
b) Neue flexible, angepasste Produkte, ein Aufrüsten mit Innovationen: 12
b) (gleichauf) Kostenreduktion und Kurzarbeit: 12
c) Kooperieren, Zusammenarbeit in der Wirtschaft: 11
d) Investments in Nachhaltigkeit, Regionalität, Umwelttechnologie, Ressourcen-Autonomie: 10
e) Liquidität sichern: 9
f) Team-Motivation, Schutz und Achtsamkeit für Mitarbeiter, Schichtwechsel: 8

3. Frage: Wie kann sich der österr. Mittelstand (EPU, KMU, Fam.betriebe, Freiberufler mit ihren Mitarbeitern und Partnern) generell und als Ganzes wieder aufrichten und auch über sich hinauswachsen?

a) Nachhaltigkeit, Kreislauf-Denken, Regionalisierung: 19
b) Mut zur Veränderung, Anpassung an neue Chancen, Optimismus: 17
c) Kreativität & Innovation: 14
d) Wenn die Konsumenten umdenken, Konsumverhalten beeinflussen, Mehr Aufmerksamkeit für österreichische und regionale Produktion und Unabhängigkeit: 9
e) Als Lobby und Interessenvertretung stärker und gemeinsam auftreten, mehr Durchsetzungsfähigkeit: 8
f) Durchmachen, nicht aufgeben, hart arbeiten: 7
g) Loyalität der Mitarbeiter, Fürsorge für Mitarbeiter: 6

4. Frage: Was ist das Wichtigste, das die Regierung und die öffentliche Hand dazu beitragen sollten?

a) Fairness bei der Unterstützung und Belastung, keine Umverteilung von Mittelstand zu den Konzernen und Superreichen, Ausgewogenheit in der Umverteilung, Rücksichtnahme auf die Eigenkapital-Erfordernisse des Mittelstands, mehr Sichtbarkeit für den Mittelstand: 20
b) Eine langfristige Politik der zukunftsweisenden Entscheidungen, des Lernens aus allen bisherigen Fehlentwicklungen (wie Umweltzerstörung und Kapitalismus-Diktat), der Nachhaltigkeit und der (Rück-)Verlagerung der Erzeugung vitaler Produkte nach Österreich; mehr Durchsetzungskraft für den Mittelstand: 17
b) (also gleichauf) die Reduktion der Bürokratie sowohl bei den Unterstützungen als auch generell, als grundsätzliche Entlastung: 17
c) Rasche Hilfe beim Erhalt der Liquidität (naturgemäß von Branchen mit geringem Eigenkapital-Anteil): 15
d) Die Einschränkungen rasch zu beenden – wohl nicht an erster Stelle, weil viele Aufhebungen und Öffnungen knapp bevor stehen bzw. erwartet werden: 10
e) Ehrlichkeit und Klarheit in der Information um sich optimal einstellen zu können (betrifft auch die Erwartungen, Aussichten, Prognosen bez. Inflation, Umverteilung, Konjunktur-Paket, weiteren Förderungen, etc.): 8
e) (gleichauf) Konzerne (vor allem internationale Online- und Daten-Konzerne) nicht zu Hauptprofiteuren der Krise werden lassen, Steuergerechtigkeit (siehe auch Fairness!): 8
f) Vermehrte öffentliche Investitionen und Konjunktur-Pakete, dabei auch mehr Infos zu Staats/Firmenbeteiligungen und Schutz vor dem von Investoren/Spekulanten „Gekauft-Werden“ etc.: 6
g) Kein Überwachungsstaat, mehr Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortung für die Menschen, demokratische Freiheiten erhalten: 4

Diese Ergebnisse sind natürlich durch das relativ geringe Sample (50 Befragte) als qualitative Ergebnisse und nicht als quantitativ-repräsentativ zu betrachten – durch den guten Mix vermuten wir aber, dass sie doch ziemlich richtig die Stimmung der engagierten, nachhaltigen und verantwortungsvollen Mittelstands-Betriebe wiedergeben.

Es kann sich auch noch – bitte um Verständnis – wenn wir weitere Interviews herein bekommen und berücksichtigen eventuell auch das „Ranking“ ein wenig verändern. Die Interviews wurde ja von Beginn der Krise an bis heute erfasst und ändern sich wohl ein wenig mit der Verbesserung der allgemeinen Gesundheitssituation und den zunehmenden Freiheiten. 

Wir wünschen Ihnen viel Nutzen beim Betrachten dieser Ergebnisse und Erkenntnisse.

Wolfgang Lusak

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Mag. Wolfgang Lusak

ist Unternehmensberater, Coach für nachhaltig orientierte Innovationsprojekte und Kooperationen sowie ehrenamtlicher Gründer und Betreiber der Mittelstands-Plattform Lobby der Mitte mit rund 1000 Follower und einem Netzwerk/Blog-Leser-Kreis von 100.000en Mittelstands-affinen Menschen  www.lusak.at www.lobbydermitte.at

 

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