Wir bringen diesen von Claudia Scholz geschriebenen Bericht im HANDELSBLATT (veröffentlicht 22.6.20), weil er etwas unterstreicht und belegt, das Lobby der Mitte seit Jahren als ein wesentliches und förderungswürdiges Ziel des fortschrittlichen Mittelstandes proklamiert: Dass er gemeinsam mit Startups im ländlichen Raum, in der Landwirtschaft und in den aktiven Regionen innovativ-nachhaltige Projekte initiiert aber auch langfristig anführt und umsetzt. Ähnliches gibt es vermutlich auch schon in Österreich, aber zu wenig publik. (Foto: Seedforward)
Boden für Neues: Startups und Mittelstand wollen die Agrarbranche verändern
Die Landwirtschaft tut sich noch schwer bei Innovationen. In Osnabrück wollen Start-ups und Mittelständler zusammenarbeiten und sich gegen Großkonzerne behaupten – mit einer Art Bio-Glyphosat für den ökobewussten Bauern.
Der Samen der Zukunft trägt Metallic-Blau, zumindest wenn es nach dem Willen der Gründer von Seedforward geht. Das Start-up aus Osnabrück hat eine Saatgutbeschichtung entwickelt, die das Korn widerstandsfähiger gegen Schädlinge machen soll, aber ohne Chemie – eine Art Bio-Glyphosat für den ökobewussten Bauern.
Und die Hinguckerfarbe hat auch einen praktischen Effekt: Bei der Aussaatkontrolle im Boden sieht man die Samen gut. „Wir beschäftigen uns wieder mit dem Thema Hardware, während viele Start-ups Software umsetzen. Aber neue Anbauverfahren im Acker lassen sich nicht nur mit Software lösen“, sagt der 30-jährige Mitentwickler Jacob Bussmann.
Für Existenzgründer gebe es noch viel Potenzial in der Landwirtschaft. Aber vielen fehle der Zugang, sagt Bussmann, der nach seinem Agrarwissenschaftsstudium eigentlich den familiären Bauernhof übernehmen sollte.
Mittlerweile ist Seedforward zu einem Aushängeschild dafür geworden, was das niedersächsische Osnabrück an erfolgreichen Agtech-Start-ups hervorbringt. Bei Agtech geht es darum, Landwirtschaft, Gartenbau und Aquakultur mithilfe von Technologien nachhaltiger und ertragreicher zu machen.
Niedersachsen eignet sich gut als Experimentierfeld für Neuerungen auf dem Acker, denn das Bundesland hat nach Bayern die zweithöchste Agrarquote in Deutschland, aber beispielsweise den niedrigsten Anteil Biofläche aller Bundesländer.
(Foto: Seedforward)
Gleichzeitig hat der Mittelstand im Nordwesten ein Interesse daran, zukünftige Entwicklungen nicht zu verpassen. Amazone, Grimme, Coppenrath & Wiese, Homann, Apetito – all diese großen Unternehmen aus den Bereichen Landmaschinentechnik und Ernährungsindustrie haben rund um Osnabrück ihren Sitz. Selbstbewusst nennt sich die Region auch „Agrotech Valley“ und will wie das Namensvorbild Silicon Valley an der amerikanischen Westküste ein Zentrum für Innovationen werden.
Dabei schließen sich auch Familienunternehmen zusammen, die sonst auf dem Weltmarkt konkurrieren. Wie beispielsweise die Landmaschinenhersteller Claas und Krone. „Weltkonzerne wie John Deere sind sehr stark unterwegs mit Budgets, die wir einfach nicht haben. Deswegen macht es Sinn, dass wir Mittelständler uns bei Themen wie der Digitalisierung vernetzen, Kompetenzen bündeln und Synergien nutzen“, sagt Josef Horstmann, Technischer Geschäftsführer der Krone Gruppe und Vorsitzender des Vereins Agrotech Valley Forum. Zusammen könnten sie mehr erreichen.
So sei das sechs Millionen Euro schwere Forschungsprojekt „AgroNordwest“, das die Digitalisierung in der Landwirtschaft untersucht, nur nach Osnabrück gegangen, weil die Familienunternehmen gemeinsam aufgetreten seien, so Horstmann. Seit seiner Gründung vor zwei Jahren habe das Agrotech Valley Forum 25 Millionen Euro Forschungsgelder nach Osnabrück geholt. Darunter das Projekt Agri-Gaia mit einem Förderwert von zehn Millionen Euro.