Schellhorn (NEOS) über Corona und Mittelstandspolitik

Aufgrund seiner Eigenschaft als Wirt und Hotelier kann der Wirtschaftssprecher der NEOS und ehemalige Präsident der ÖHV Abg.z.NR Sepp Schellhorn sehr kompetent und mit viel Realitätsbezug die Reaktionen, Bedürfnisse und Gefühle in seiner Branche aber auch in der gesamten Wirtschaft in die Beantwortung unserer 4 Fragen zum Thema Corona-Politik der Regierung  einbringen. Und er tut dies in der gewohnt direkten, deutlichen bis hin zu ruppigen Weise. Seine Anhänger werden es ihm danken, sein politischer Gegner wird sich zu wehren versuchen.

Dies ist nach der erwartungsgemäß angriffigen Matznetter/SPÖ-Stellungnahme und verteidigenden Ottenschläger/ÖVP-Stellungnahme nun die dritte bei uns eingelangte Beantwortung zu unserem an die zum Thema Wirtschaft kompetenten Sprecher aller Parteien gerichteten  4-Fragen- Interviewansuchen vom 6. April zum Thema „Aktuelle CORONA- & MITTELSTANDS-POLITIK„. Und immer mehr der von uns angefragten Interview-Antworten treffen ein. Es wird immer spannender.

„Österreich droht ein blinder Fleck der auf der Tourismus-Karte zu werden!“

„Unternehmen die Möglichkeit geben Ihren Betrieb zu sanieren statt zu schließen.“

1.Wie sehen Sie die Pandemie-Situation für Österreich jetzt?

„Die aktuelle Situation ist in gewissen Regionen des Landes leider bedenklich. Oberstes Ziel muss es auch weiterhin sein, die Intensivstationen zu beobachten und diese, ebenso wie die Risikogruppen, besonders gut zu schützen. Das unterschiedliche regionale Abwägen der Maßnahmen hätten wir gerne schon früher gesehen und haben wir auch bereits vor Monaten gefordert. Damit wären einigen Bundesländern wohl einige Wochen Lockdown erspart geblieben. Damit das Infektions-Geschehen genauer beobachtet werden kann, ist es aber wichtig weiter auf Tests zu setzen, vor allem im Schulbereich fordern wir eine Erweiterung der Test um Gurgel-PCR-Tests.

Auch wenn die Situation in manchen Gebieten kritisch ist, dürfen wir nicht vergessen, einen Schritt weiter zu denken. Es muss etwa jetzt dafür gesorgt werden, dass für die Wiederöffnung der Schulen im Osten des Landes die besten Sicherheitskonzepte bereitstehen. Denn eines ist klar: Die psychischen, gesundheitlichen und ökosozialen Folgen die Krise sind immens. Die Aufgabe der nächsten Wochen wird es sein, regional angepasst, sobald es die Zahlen ermöglichen, den Menschen möglichst viele Grundrechte zurückzugeben und in möglichst vielen Branchen wieder einen Betrieb unter sicheren Umständen zu ermöglichen. Dass ein sicheres Öffnen möglich ist, sehen wir am Beispiel der Gastro-Öffnungen in Vorarlberg. Dies muss in Anbetracht der nahenden Sommersaison und bisherigen Konzeptlosigkeit der Regierung, allen voran die seltsam verstummte Tourismusministerin Köstinger, dringend für ganz Österreich und für Tourismus, Gastro und Kultur ermöglicht werden. Anderenfalls wird Österreich auf der Landkarte der Urlaubsländer in diesem Jahr nicht mehr als ein blinder Fleck bleiben. Wer macht Urlaub in einem Land, in dem es für ausländische Gäste, Mitte April, noch immer keinerlei Infos zu Sicherheit, Teststrategie, Quarantäneauflagen oder Öffnungsschnitte gibt?“

2.Wie stark ist die Belastung der Wirtschaft, welche Langfristauswirkungen erwarten Sie?

„Die Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich mussten in den letzten Monaten enorm viel schultern. Österreich ist im EU-Vergleich bei der Zahl an harten Lockdown-Tagen im oberen Drittel. Nachdem das Missmanagement der Regierung in der Krisenpolitik vor allem schwerwiegende Folgen für die heimische Wirtschaft nach sich gezogen hat, zeigen sich jetzt auch ein verhältnismäßig hoher BIP-Rückgang 2020 und zaghafte Prognosen für 2021.

Auch die Experten sind sich einig, dass die Krise die Wirtschaft in vielen Punkten nachhaltig beeinträchtigen wird. Von steigenden Zahlen im Onlinehandel bis hin zu verstärkten digitalen Angeboten im Kongresswesen ist hier zu hören. Mit dem Kaufhaus Österreich hat die Regierung aber eindrucksvoll gezeigt, wie es nicht geht. Wir müssen die nächsten Monate massiv nutzen, um den Wirtschaftsstandorts zukunftsfit zu machen, die Digitalisierung im Land zu fördern und den Handel auf die Zeit nach Corona vorzubereiten. Österreich hat bislang leider sehr langsam auf die voranschreitende Digitalisierung reagiert, weshalb wir europaweit stark ins Hintertreffen geraten sind. Im Bereich des Tourismus wird vor allem der Stadttourismus sich nur sehr langsam erholen können.

Wichtig ist nun, dass wir den Unternehmen die Möglichkeit geben Ihren Betrieb zu sanieren statt zu schließen. Vor allem jene Betriebe, denen es vor der Krise gut ging, dürfen am Ende der Krise nicht fallen gelassen werden. Die angekündigte Reform des Insolvenzrechts nützt den bestehenden EU-Rahmen leider nicht annähern aus, womit den Unternehmen keine echte zweite Chance gegeben wird. Dazu braucht es dringend neue Instrumente, wie Unternehmen ihr Eigenkapital zu stärken. Hier bedarf es neuer Möglichkeiten der Beteiligung und der Finanzierung. Besonders berücksichtigt werden müssen bei einem Neustart aus der Krise heraus jene Bereiche, die besonders hart von den letzten Monaten betroffene waren, wie Gastro, Tourismus und Kultur.“

3.Was hat die Regierung bisher gut gemacht, was nicht?

„Die Pandemie hat alle überrascht. Um im Frühjahr 2020 die erste Infektionswelle bewältigen zu können und die Intensivstationen zu schützen hat es damals einen Schulterschluss aller Parteien im Parlament gegeben. Das hat auch das Vertrauen der Bevölkerung in diese harten Maßnahmen gestärkt. Leider wurde dieser konstruktive und kommunikative Weg seitens der Regierung aber sehr rasch verlassen. Es folgten unzählige Pressekonferenzen voller Ankündigungen, die bei den Unternehmen vor allem Perspektivenlosigkeit und fehlende Planungssicherheit zur Folge hatten. Die Maßnahmen wurden oft viel zu spät angekündigt oder waren stellenweise sogar verfassungswidrig. Die Wirtschaftshilfen funktionierten nach dem Gießkannenprinzip, waren daher nicht treffsicher und wurden oft nur sehr zögerlich ausbezahlt.

Wir NEOS haben im letzten Jahr beinahe wöchentlich auf Missstände bei den Hilfen und Maßnahmen hingewiesen und konstruktiv kritische Alternativvorschläge auf den Tisch gelegt – allerdings ohne bei der Regierung auf ein offenes Ohr zu stoßen. Die undurchsichtige Vielzahl an komplizierten Instrumenten und die intransparente Abwicklung über die COFAG hindern viele daran, Hilfen zu beantragen oder den Stand ihrer Bearbeitung zu erfahren. Viele sind in den letzten Monaten auch an uns herangetreten und haben um Hilfe gebeten, weil sie sich im Stich gelassen fühlten. Der Zickzack-Kurs der Regierung lässt das Vertrauen in die Maßnahmen sinken, untergräbt diese damit und bringt immer mehr Unternehmen in Österreich an den Rand der Verzweiflung. Bestehende Instrumente müssen endlich funktionstüchtig gemacht werden. Ab dem Sommer soll eine Verlustkompensation nach Kieler Modell es Unternehmen einfacher machen und einheitlich und transparent helfen.“

4.Was möchten Sie dem – teilweise sehr hart betroffenen – unternehmerischen Mittelstand (EPU, KMU, Familienbetriebe und Freiberufler) jetzt mit auf den Weg geben?

„Ich bin selbst Unternehmer, führe auch einen Familienbetrieb und weiß daher auch wie hart die letzten Monate für uns alle waren und die nächsten leider auch noch sein werden. Aber ich denke wir alle versuchen immer wieder daran zu denken, warum wir das alles machen – wieviel Energie wir in all den Jahren in unsere Unternehmen hineingesteckt haben und vor allem wieviel Energie wir daraus bezogen haben. In meinem Fall kann ich sagen, dass all die positiven Erfahrungen in meinen Betrieben, mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und meiner Familie und meinen Freuden, mich selbst durch die härtesten Stunden dieser Krise getragen haben. Ich werde mich daher auch weiterhin stark dafür einsetzen, dass die Sorgen der Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich von der Bundesregierung endlich gehört werden und dieses Jahr ein echter Neustart für unsere Wirtschaft werden kann.“

Mit freundlichen Grüßen,

Sepp Schellhorn

NEOS – Das Neue Österreich
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