Es wurde Zeit sich auch seitens des Mittelstandes zur aktuellen Megakrise zu Wort zu melden. Der neue Kommentar von Wolfgang Lusak, 4.3.2022 (zum Word-Doc)
Unser Hals wird dünner
Die aktuelle Krise aus Sicht des unternehmerischen Mittelstands
Mit Grauen beobachten wir das bisher Unglaubliche, werden überschüttet mit furchterregenden Berichten und die Furcht noch einmal vertiefenden Erklärungen, Kommentaren und Prognosen. Würden gerne nichts mehr davon hören, werden aber täglich auch in unserem Leben Auswirkungen zu spüren bekommen.
Die Experten für globale Politik sind sich in einer Sicht ziemlich einig. Sollte Putins Staat aufgrund der Sanktionen tatsächlich bald vor dem Zusammenbruch stehen, was angesichts der sehr einseitigen und daher auch verletzlichen Wirtschafts- und Exportausrichtung Russlands auf Energie- und Rohstoffe ziemlich wahrscheinlich erscheint, könnte – wer sonst – China als Retter Putins eingreifen und mit Geld, Lebensmitteln und Technik das größte Desaster in Russland verhindern und dabei das ganze Land in extreme Abhängigkeit bringen. Das Ergebnis wäre eine unfassbar gewaltige Ausdehnung der hegemonialen Macht Pekings bis an die Tore der EU. Ob Putin vorher die Notbremse zieht und den Ukraine-Krieg gegen eine paar verbriefte Zusagen von USA, NATO und EU bezüglich seiner „Sicherheits“-Vorstellungen abbricht sollte bezweifelt werden, weiß er doch, dass Europa sehr unter Druck seiner Regierungen und Völker steht, endlich auch aus dem permanenten Krisenmodus herauszukommen.
Verschärfung der Krise zerstört Mitte der Wirtschaft und Gesellschaft
Wie auch immer das ausgeht, der Hauptträger der europäischen Wirtschaft, der unternehmerische Mittelstand muss zur Kenntnis nehmen, dass er jetzt schon wieder zum schamlos ausgebeuteten Zahler aller in dieser Krise entstehenden Kosten werden könnte. Diese Krise wird vor allem von drei Bedrohungen verursacht, der immer noch nicht ausgestandenen Pandemie, dem Ukraine-Krieg und der die Existenz der Menschen sicher am meisten gefährdenden Umweltzerstörung durch Erderwärmung, Klimawandel, Bodenversiegelung usw. Nehmen wir die schwersten bestehenden Benachteiligungen des Mittelstands her und stellen die jetzt in der Krise entstehenden Neubelastungen daneben:
Schwerste bestehende Benachteiligungen des unternehmerischen Mittelstand in Europa und Österreich | Durch die Krise hinzukommende Belastungen | Gesamtauswirkung auf den unternehmerischen Mittelstand |
Vermögensentwertung durch hohe Inflation schwächt den mittelständischen Eigenkapitalaufbau und verhindert Investments | Die Inflation wird durch Sanktionen, Produktionsausfälle und Lieferketten-Engpässe nochmals angeheizt, die Investitionsbereitschaft gedrückt. Die Pandemie-Verlierer-Branchen stehen mit dem Rücken zur Wand. Die ständig steigenden Sozialausgaben für die hart getroffenen sozial Schwachen werden wohl auch wieder mit Mittelstandssteuergeld bezahlt. | So rasch können die für die Inflation mitver-antwortlichen Regierungen und die EZB gar nicht reagieren, wie die Werte der Sparer und Mittelständler vernichtet werden. Aufgrund Kaufzurückhaltung können notwendige Preis-erhöhungen nicht durchgesetzt werden. Kleinst-Unternehmen geht die Luft aus. Welle von Firmenpleiten droht |
Steuerbenachteiligung gegenüber Konzernen schwächt den mittelständischen Eigenkapitalaufbau und verhindert Investments | Die zwar noch lange nicht gerechte aber notwendige Konzern-Mindeststeuer wird ständig verzögert. Dominanz der Lobbyisten der Global- Unternehmen und –banken verstärkt sich | Die vielen innovativen und verantwortungs-bewussten Mittelstandsbetriebe, die nachhaltiges, CO2-neutrales Wachstum ermöglichen könnten scheitern an unzu-reichenden Finanzierungs-möglichkeiten. Welle von Firmenpleiten noch wahrscheinlicher |
Unverhältnismäßige Bürokratie | Durch die Krise werden die bestehenden, nicht an die Größe der Unternehmens angepassten, also unverhältnismäßigen bürokratischen Auflagen nochmals potenziert | Alle die zusätzlichen Probleme durch die Krise lassen die Unternehmen an der bestehenden „Staats-internen“ Bürokratie zerbrechen. Viele KMU werden den „Hut drauf hauen“ |
Schwieriger Zugang zu Kapital für Investments und Innovationen; Basel I-III treffen vor allem KMU | Die Krise, Börsenabstürze und noch strengeres „Risk-Management“ der im Osten Verluste schreibenden Banken reduzieren Optimismus, Investmentbereitschaft und damit Innovation und Wachstum | Gedrückter Optimismus und niedere Investment-Bereitschaft drücken auch Innovation und Wachstum im Mittelstand |
Personalnot: Schlechter Zugang zu Personal
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Die Krise konnte die Personalnot der Betriebe nicht lindern. Auch ukrainische Flüchlinge werden da kaum Abhilfe schaffen | Betriebe müssen teilweise ihr Leistungsangebot kürzen, um einigermaßen überleben zu können – das bringt aber Rückgang statt Wachstum |
© Tabelle Wolfgang Lusak (kein Anspruch auf komplette Erfassung)
Das ist die Situation im groben Überblick, im Detail – z.B. bezüglich Ost-Handelsgeschäften, Vorteilen für ausländischen Online-Händler, Firmenbeteiligung in Russland und von Russen bei uns, Unterschiede in den Nachhaltigkeits-Auflagen zwischen EU und Rest der Welt und dadurch Wettbewerbsbenachteiligung für EU-Mittelstand – gäbe es noch viel weiteres aufzuzählen.
Siehe auch DIE PRESSE-Artikel „Russisches Geld in Österreich“ (Russland ist zweithöchster ausländischer Investor in Österreich!)
Siehe auch Ukraine-Krieg: Das sind die Folgen für die Wirtschaft | wlw – wlw.de
Der Hals wird so dünn bis er bricht
Ich bezeichne die gegenwärtige Gesellschaft seit 10 Jahren als „Schachfiguren“-Gesellschaft, weil Mittelschicht und Mittelstand in ihr so benachteiligt werden, dass ihr Bevölkerungs-Anteil permanent zurückgeht. Dominiert von oben in Gestalt der Superreichen und Global-Konzerne mit ihren Epigonen und bedrängt von unten, von den zunehmenden „Working Poor“ und Sozialhife-Empfängern und ihren gerade in der Krise ständig wachsenden Forderungen nach weiterer Versorgung bis hin zur Mindestsicherung ist der Mittelstand und die ihm verwandte Mittelschicht der verbleibende aber schwächer werdende Rest der Bevölkerung. Er ist mit seinen fleißigen Mitarbeitern der immer dünner werdende Hals der Schachfigur, der Schachfiguren-Gesellschaft. Überspitzt aber auch nicht ganz falsch kann man sagen, dass der Schachfiguren-Kopf „sein“ Geld arbeiten lässt und die große Masse der von Links- und Rechtspopulisten mit einem Brot- & Spiele-Angebot umworbenen „Working Poor“ davon lebt, dass er in prekären Situationen unterstützt wird. Diese Unterstützung zahlt aber – auch jetzt wieder – viel zu wenig der kapitalistische Kopf, sondern vor allem der missachtete, benachteiligte und vielfach um seinen Leistungslohn gebrachte Mittelstand mit seinen Steuern. Dieser Mittelstand verlangt deshalb Gerechtigkeit. Er verweist darauf, dass er mit seiner „Wertegemeinschaft“ immer noch ein Drittel der Bevölkerung ausmacht und dass niemand mehr die Kohlen aus dem Feuer holen wird, wenn man ihn endgültig zerstört hat. Weil dann nicht nur die Wirtschaft kaputt ist, sondern auch die Gesellschaft endgültig zerfällt – mit allen politischen Konsequenzen für EU-Staaten und EU selbst.
Wenn Politik keine Reformen schafft geht der Mittelstand zugrunde
Jetzt braucht es verantwortungsvolle Politiker, die energisch auf diese Gefahr reagieren und letztlich – mit gesundem Hausverstand und Mittelstand – zu echten System- und Strukturreformen finden und damit zu einer runden Gesellschaft. 80 Jahre nach dem 2. Weltkrieg steht Europa am Scheideweg. Ohne echte Reformen wird Europa und auch Österreich im wahrsten Sinne des Wortes zugrunde gehen.
Wolfgang Lusak
Mag. Wolfgang Lusak
Unternehmensberater & Lobby Coach www.lusak.at
Unabhängig engagierter Interessenvertreter www.lobbydermitte.at
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