Frosch, Affe, Manager

30 Jahre jung: Dieser Artikel aus dem Jahr 1992 war der erste, den ich im Auftrag eines Print-Mediums geschrieben habe. Für das heute nicht mehr existierende Manager- und Lifestyle-Magazin „IMAGINE“ (hab‘ noch das Original). Bitte lest ihn und sagt mir, ob ihr ihn noch heute als aktuell bezeichnen würdet.

Frosch, Affe, Unternehmer

Können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn man einen Frosch in kochend heißes Wasser wirft? Er wird so gut er dazu in der Lage ist natürlich alles tun, um wieder rasch herauszukommen. Und wissen Sie was passiert, wenn man einen Frosch in lauwarmes Wasser gibt und dann dieses Wasser ganz langsam zu Kochen bringt? Überraschenderweise bleibt der Frosch ganz seelenruhig im Wasser und lässt sich bei lebendigem Leibe kochen. Er kann offensichtlich lebensbedrohende Veränderung seiner Umwelt nicht wahrnehmen und stirbt.

Wie ist das beim Menschen? Können wir es? Im Augenblick schaut es nicht so aus. Obwohl wir täglich hören, dass wir Erde, Wasser und Luft vergiften, dass wir unseren natürlichen Lebensgrundlagen irreparable Schäden zufügen. Eben weil wir es täglich hören aber nicht fühlen, reagieren wir nicht. Wie beim Frosch schiebt sich auch bei uns die Schmerzgrenze nach oben. Weil der Lärm und Schmerz aus Familie, Umfeld und Beruf uns ablenkt. Der kleine Kampf ums tägliche Glück macht uns unempfindlich für den großen Kampf ums Dasein der Menschheit.

In den Betrieben ist es genauso oder noch schlimmer. Stress und volle Terminkalender gehören zum Status der Führungskräfte. Der nächste Geschäftsabschluss, ein gutes Monatsergebnis und eine positive Jahresbilanz haben Vorrang vor langfristigen Überlegungen. Kaum ein Konzern sieht sich als Nutznießer des Umstands, dass sich das Ozonloch nicht vergrößert, die Temperatur nicht steigt und das Grundwasser nicht vergiftet ist. Viele Unternehmen haben noch nicht gelernt, den Vorteil der Gesellschaft mit dem ihres Unternehmens zu verbinden.

Bringen wir noch ein Tier ins Spiel. Wissen Sie wie man auf Borneo Affen fängt? In eine Kokosnuss wird ein Loch gebohrt und eine kleine Banane hineingesteckt. Anschließend wird die Kokosnuss an einem Seil befestigt und mit diesem an einen Baum gehängt. Die bedauernswerten Affen greifen nach dem Leckerbissen in die Kokosnuss und können dann ganz leicht gefangen werden, weil sie die Banane nicht loslassen und mit der geballten Faust aus dem Loch der Kokosnuss nicht mehr heraus können. Denken wir einmal daran, von wie viel Dingen wir gefangen gehalten werden, nur weil wir sie nicht loslassen können.

Diese Tiervergleiche und Ergebnisse ethologischer Verhaltensforschung sind vielleicht ein wenig an den Haaren herbeigezogen aber dennoch eine gute Reflexion menschlicher Verhaltensweisen vor dem Spiegel genetischer Entwicklung. Allerdings geben Tiere der Natur Entnommenes in irgendeiner Form wieder zurück. Wir nicht, wir wollen behalten, wir wollen ein Geschäft machen. Adam Smith meinte: ‚Die Menschen sind die einzigen Lebewesen die Geschäfte machen, kein Hund würde mit einem anderen die Knochen tauschen‘.

Dieses Geschäfte Machen der Menschen wuchs sich aus zum einander Übervorteilen. Martin Seligman, ein US-amerikanischer Psychologe meinte dazu: ‚Es ist kein Geschäft, jemandem etwas zu verkaufen, der es braucht, es ist erst ein Geschäft, etwas das das man nicht hat zu verkaufen und zwar an jemanden, der es nicht braucht‘. Diese Aussage ironisiert die doppelte Sinnlosigkeit des nicht partnerschaftlichen sondern verantwortungslosen Wirtschaftens. Wir sollten jedoch erkennen, dass von uns nichts übrig bleiben wird, wenn wir dem Partner Natur nehmen ohne zurückzugeben. Je ehrlicher die Menschheit mit der Umwelt tauscht, umso unsterblicher wird sie sein. Oder eben umgekehrt.

Wer soll die Menschen bei ihrem erstmaligen Kampf ums Dasein der Gesamtheit anführen? Wer soll ihnen das neue alle einigende Bewusstsein bringen? Ich glaube genau diejenigen, die in diesem Zusammenhang die größte Verantwortung tragen, diejenigen, die dem großen Tauschen von Produkten, Leistungen und Energien am nächsten sind und seit Langem die eigentlichen Pionieren der Menschheit sind: Die Unternehmer und Manager. Natürlich sollen und werden auch die Politiker und Wissenschaftler mitreden und mitentscheiden.

Ich glaube an die Achtsamkeit und fortwährende Pionierfähigkeit der Wirtschaftstreibenden, daran, dass sie ihre Sinne und Fähigkeiten in den Dienst des Sinnmachens stellen, dass sie es merken, wenn sie im kochenden Wasser baden oder ihre Banane besser wo anders holen sollten. Ich glaube, dass es ein Leben vor dem Tod gibt.

Wolfgang Lusak

(aus IMAGINE, 1992)

Kategorie: