Österreichs Wohlstand schrumpft weiter

Wir bringen diesen Kommentar von Jeannine Hierländer aus DIE PRESSE, weil er wieder einmal sehr treffend die Situation der Wirtschaft, der Politik bzw. unserer neuen Regierung beschreibt. Eine Anmerkungen dazu von Lobby der Mitte:

Im Kommentar wird als Haupt-Ursache für den fortgesetzten Abschwung „dass sich die Industrie nicht erholt“ genannt. Hier sei darauf hingewiesen, dass im Jahr 2024 88% der Insolvenzen bei Einzelunternehmen und GmbHs zu verzeichnen waren, was sich in 2025 fortzusetzen droht. Dies lässt auch darauf schließen, dass der Mittelstand, also EPU und KMU in Österreich besonders unter den Folgen der Pandemie, dem Problem der fehlenden internationalen Wettbewerbsfähigkeit mit der Hauptursache zu hoher Lohnanschlüsse bei uns und der nicht dynamischen Sozial- und Wirtschaftspolitik der EU leiden.

 

„Österreichs Wohlstand schrumpft weiter. Erstaunlich …, dass sich die neue österreichische Regierung ganz schön viel Zeit lässt, um gegenzusteuern.“

von Jeannine Hierländer, stv. Ressortleiterin Economist, Die Presse

nächste Woche legen die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS ihre Konjunkturprognosen vor. Im Dezember gingen sie noch davon aus, dass Österreichs Volkswirtschaft heuer um 0,6 Prozent wachsen wird. Doch nächsten Donnerstag werden die Ökonomen ihren Ausblick nach unten korrigieren – offen ist bloß, ob sie weiterhin ein kleines Wachstum prognostizieren oder ein drittes Jahr in der Rezession. Der Zehntelprozentpunkt hin oder her würde zumindest einen psychologischen Unterschied machen. „Stagnation“ klingt immer noch weniger schlimm als „drei Jahre Rezession“.
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So oft haben wir in den vergangenen Jahren gehört und berichtet, dass die Prognose „nach unten korrigiert“ wird. Immer wieder wurde die Hoffnung ausgegeben, nun komme das Wachstum zurück. Dann wurde nichts daraus. Das ist so sehr zum Normalzustand geworden, dass ich mich nicht mehr erinnern konnte, wann das letzte Mal eine Prognose „nach oben“ korrigiert wurde. Also habe ich das Wifo gefragt: Die letzte „Aufwärtsrevision“, die auch eingetreten ist, gab es im Herbst 2022 für dasselbe Jahr, das Institut revidierte seine Prognose von 4,3 auf 4,8 Prozent.
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Das waren Zeiten, als das Wirtschaftswachstum die Prognosen überflügelte. Der Aufschwung, der auf den historisch tiefen Einbruch während der Coronapandemie und ihren Lockdowns folgte, überraschte zwar ob seiner Stärke die Experten. Doch an sich folgte das Phänomen dem bekannten Muster der Konjunkturzyklen (wenn auch Corona eine Ausnahmeerscheinung war): Auf einen Abschwung folgt ein Aufschwung, dann der Abschwung und so weiter. Und so gleicht die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in Industrieländern auf lange Sicht einem Aktienindex: Es geht rauf, runter, rauf, runter, aber auf lange Sicht zeigt die Kurve nach oben.
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Doch seit einer Weile Zeit steckt Österreichs BIP, um bei der Börsensprache zu bleiben, in einer Seitwärtsbewegung. Die Wirtschaftsleistung hat sich seit 2019 real kaum gesteigert. Das kostet Österreich und seine Bewohner gehörig viel Wohlstand: Die Bevölkerung ist in den vergangenen fünf Jahren um 3,4 Prozent gewachsen, zeigen aktuelle Zahlen der Statistik Austria. Im selben Zeitraum ist die Wirtschaftsleistung pro Kopf um 2,8 Prozent gesunken. „Das ist ein spürbarer Rückgang des Wohlstands in Österreich“, sagte Statistik-Austria-Direktor Tobias Thomas bei der Präsentation der Zahlen.
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Dass das Wachstum ausbleibt, liegt vor allem daran, dass sich die Industrie nicht erholt. Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund, dass sich die neue österreichische Regierung ganz schön viel Zeit lässt, um gegenzusteuern. Sie hat zwar eine neue Industrie- und Standortstrategie angekündigt, einen „seriösen Plan für die Zukunft“, wie Kanzler Christian Stocker (ÖVP) sagte. Vorliegen soll diese aber erst Ende des Jahres.
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Hoffentlich stehen wir da nicht schon an der Schwelle zum vierten Jahr in der Rezession.
Herzlich, Ihre
Jeannine Hierländer
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Foto-Credit: Clemens Fabry

siehe auch: Der Mittelstandsbarometer 2024