Mitte, umworben aber verschaukelt (2)

Ob bei der deutschen Bundestagswahl oder in der neuen österreichischen Regierung (Aktualisierung vom 20.3.25 des gleichnamigen Lusak-Blog-Artikels vom 6.2.25 ):

Mitte wird immer umworben aber auch immer wieder verschaukelt.

Fällt Ihnen das auch schon auf? Ständig und vor Wahlen ganz besonders reden Politiker über die Mitte, die sie angeblich repräsentieren würden. Auch nachher ändert sich da fast nichts. Machen wir einen Faktencheck.

In Deutschland beansprucht seit jeher die CDU die Position der politischen Mitte. Bei der bayerischen Schwesterpartei CSU heißt das „Politik für die bürgerliche Mitte“. Aber auch der vor der BT-Wahl als „Grünen-Kanzlerkandidat“ präsentierte Robert Habeck bot bei einem Wahlkampfauftritt seine Partei „als neue politische Heimat der Mitte“ an. Und auf der SPD-Wahlkampf-Website prangte der Slogan „Mitte statt Merz“ mit der Begründung, dass die Merz-CDU die Mitte verlassen hätte und sie, die SPD, eine „stabile Regierung der Mitte“ bilden könne. Die FDP gilt allgemein als liberale „Mitte-rechts“-Partei (und flog aus dem BT). Lauter echte Mitte-Parteien? Worüber streiten die dann eigentlich?

In Österreich ging die Nehammer-ÖVP mit einer „Wir, die Mitte“-Kampagne in den Wahlkampf der NR-Wahl am 29.9.24. Die SPÖ rang und ringt sehr mit sich selbst (Fundi Babler vs. Realos Ludwig/Bures), ob Mitte ein Thema ist, eventuell die angestellte Mittelschicht. In der FPÖ sehen sie sich zwar „längst in der Wähler-Mitte“ angekommen, kommunizieren aber lieber ihre alten Kernthemen „an Euch alle“, kein Wort von Mitte im Kurz-Parteiprogramm der FPÖ. Kickl regte sichj über die Aufforderung von Stocker an ihn, doch mehr in die Mitte zu rücken, sehr auf und sprengte letztlich die FPÖ-ÖVP-Koalitionsverhandlungen mit überzogenen Forderungen. Die Grünen haben als ÖVP-Koalitionspartner lieber ihre Kernwähler adressiert als die Mitte. Die NEOS sehen sich ganz klar als Mitte-Partei, bauen sie in ihre Parlamentsarbeit ein, aber kaum in ihre Überschriften. ÖVP, SPÖ und NEOS sehen sich nun in einer Regierung, in der nur eine Spitzenposition als Mitte- oder KMU-Mittelstands-relevant erscheint, die des neuen Staatssekretärs für Deregulierung Sepp Schellhorn. Bei allen anderen droht die Mitte im traditionell groß-koalitionären Muster vernachlässigt zu werden. Weil zum Beispiel die ÖVP-Industrie-Nähe & die SPÖ-Gewerkschaft-Konzern-Betriebsrats-Konstellationen eher das „Too Big To Fail“-Prinzip im Umgang mit der Wirtschaft hochhalten als dem Mittelstand Fairness angedeihen zu lassen.

Fakt ist, dass trotz Mitte-Lippenbekenntnissen die politische und wirtschaftliche Durchsetzungskraft der Mitte (unternehmerischer Mittelstand & angestellte Mittelschicht) in Österreich und Deutschland seit 50 Jahren sinkt. Fakt ist, dass es längst eine Umverteilung von Mitte zu Reich und Arm gibt. Fakt ist, dass die Bevölkerung das längst erkannt hat. So sehen z.B. laut Lobby der Mitte-Mittelstandsbarometer nur 4% der Menschen in Österreich eine durchsetzungsstarke Mitte, sehen 34% in keiner der NR-Parteien eine Mitte-Partei. Fakt ist, dass die Mitte durch Steuerungerechtigkeit, Bürokratie und Kapital-Mangel benachteiligt ist – zugunsten der Konzerne und Reichen, aber auch eines überbordendes Sozialsystems. Fakt ist, dass vor allem die Mitte Steuergeld, Innovation, Standort-Qualität, Investition, Kaufkraft, Kaufkraft und Ausgleich in den Staat bringt. Fakt ist, dass das diejenigen Parteien zu verantworten haben, die die letzten 50 Jahre Regierungsverantwortung trugen.

Warum die Politik dennoch kommunikativ auf Mitte setzt? Weil sie wissen: die Mitte ist ein großer Sehnsucht- und Zugehörigkeitsort der Mehrheit. Weil sie – links wie rechts – davon ablenken will, dass sie zu oft mit Polarisierung und Spaltung Randwählergruppen für sich mobilisiert. Weil sie sieht, dass die Mitte heterogen ist und keine echte Lobby hat. Weil sie letztlich doch auf laute Proteste, einseitige Medien und  Too-Big-to-Fail-Großunternehmen eingehen und damit die Mitte verschaukeln.

Schuld sind aber auch die Zugehörigen der Mitte, die nicht reagieren, sich nicht engagieren oder protestieren. Die lieber „in Ruhe“ arbeiten und leben wollen, was den meisten von ihnen aber angesichts der gegenwärtigen Fehlentwicklung und „Mitte-Losigkeit“ sehr bald unmöglich sein wird. Weil dann die Mitte tot ist. Und mit ihr der Staat und die westliche Gesellschaft und unsere ganze Demokratie.

Mag. Wolfgang Lusak ist Obmann der unabhängigen „Lobby der Mitte“. Kürzlich veröffentlichte er seine Erzählung „Mein Herz schlägt in der Mitte“ in dem er ein Fünf-Punkte-Programm für die „Gesellschaft der Mitte“ vorlegt: www.herzindermitte.at 

Schulgasse 18, 1180 Wien,  office@lusak.at, Tel 01 315 45 36, www.lobbydermitte.at  www.lusak.at

 

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