Der gefährliche Mythos vom Kampf zwischen Arm und Reich

Warum uns aktuelle Berichte über Caritas und Kapitalismus die Sicht dafür verstellen, was die beste Armutsbekämpfung wäre.

Laut dem scheidenden Caritas-Präsidenten Küberl hat „die Regierung vor den Reichen viel mehr Angst als vor den Armen“ und würde aus diesem Grund die Armen benachteiligen. Das klingt nach von heiligem Zorn getragenem Mut, verleitet zu spontanem Nicken, lenkt aber leider von der Realität ab. Die Regierung erhofft sich nämlich einerseits von den „Reichen“ schlichtweg Geld – Investitionen, Wahlspenden, etc. – und andererseits von den „Armen“ und den mit ihnen Solidarisierten schlichtweg Wählerstimmen. Sie fürchtet sich also nicht nur vor der Geld-Macht, sondern genauso vor der für sie Mehrheiten schaffenden Stimm-Macht. Es ist eben nicht wahr, dass die Regierung vor den Armen keine Angst hat und für diese zu wenig tut. Sie hat definitiv auch Angst vor den Armen, weil diese in Form von Caritas, Diakonie, Gewerkschaften, etc. mächtige Lobbys und Medien hinter sich haben.

Geld-Drucken hilft nur mehr den Börsen
Wahr ist natürlich auch, dass die Regierungen generell den alles dominierenden, absurden Casino-Kapitalismus der globalen Banken und Börsen zu wenig bekämpfen. Aktuelles Beispiel: Als die Aktienmärkte positiv (!) auf die Schwächen in Realwirtschaft und Konsum reagiert haben, erklärt uns das ein Analyst damit, dass schlechte Konjunktur die Regierungen und ihre Notenbanken zwingt, weiteres Geld zu noch niedereren Zinsen in den Markt zu pumpen, was die Kapitalmärkte als Wachstumssignal für sich auffassen würden. Das ist dann eben auch ein Wachstum, welches Realwirtschaft und Menschen kaum zugute kommt. Weil der Global-Kapitalismus gemeinsam mit den von ihm gesteuerten Rating-Agenturen in der Geld-Machtposition der Schuldner ihre Gläubiger-Staaten, Realwirtschaften und auch die Privaten nicht am Wachstum teilhaben lassen. Ja, vor dieser Art von „Reichen“ haben Regierungen auch Angst.

Umverteilung vom Mittelstand zu Arm und Reich
In der auf dem historischen Klassenkampf beruhenden Zwickmühle zwischen den Lobbys der Armen und Reichen setzen Regierungen generell ihre Umverteilung vom Mittelstand in Richtung Arm und Reich fort. Weil der Mittelstand offensichtlich und nachweislich keine annähernd so starke Lobby hat, verschieben sie immer mehr Steuergeld in die Fässer der Armen und der Reichen, in Fässer ohne Boden. Es ist absolut unsinnig noch mehr in „normale“ Sozialleistungen zu investieren, weil das die Arbeitslosigkeit und prekäre Arbeitssituationen nicht bei ihren Wurzeln bekämpft. Weil der wachsende Abstieg von Menschen sowohl aus dem Mittelstand als auch aus bildungsfernen Schichten in die Armut das alles wieder auffrisst und die letzten Mittelstandsbereiche, die noch gute Steuern zahlen aushöhlt. So bekämpfen wir Arbeitslosigkeit und Prekariat nicht, so fördern wir deren weitere Ausbreitung.

Nicht beirren und einlullen lassen
Was tun? Zuerst und endlich verbesserte Rahmenbedingungen in Form von fairen Bildungs-, Verwaltungs- und Steuerreformen schaffen. Und dann den Lobbyisten der Armen und Reichen die Stirne bieten: Sich nicht beirren lassen von den „alternativlosen Sachzwang“-Argumenten und Versprechungen des Global-Kapitalismus. Nicht einlullen lassen von den mit bekümmerter Miene (ist Ihnen schon aufgefallen, wie ähnlich die Chefs der Religionsnahen Sozialorganisationen und die Funktionäre von Gewerkschaften drein schauen?) vorgetragenen Sozialbudget-Erhöhungsforderungen der „Armen-Lobbys“. Sondern endlich, endlich auf diejenigen hören, die in Österreich wirklich die Arbeitsplätze sichern, den Großteil des Steueraufkommens einbringen und nachhaltig auf Umwelt und Gesellschaft Rücksicht nehmen. Drei von 5 Österreichern bekennen sich zu diesem Mittelstand.

Beste Armutsbekämpfung ist Mittelstands-Förderung
In Wahrheit leben die dominierenden Lobbys der Armen und Reichen aber von einander. Sie leben von dem gefährlichen Mythos des heroischen Kampfes zwischen ihnen. Die Armen-Lobbys brauchen ein Feindbild, von dem gefordert wird, ihnen aber von diesem gar nichts bringt. Die Reichen-Lobbys lieben eine möglichst große Masse an ungebildeten Armen, die sie im Verein mit den Regierenden mit Brot & Spielen abspeisen und als Massenprodukt-Konsumenten weiter ausbeuten können. Das muss jede neue Regierung erkennen. Das muss sie entgegen ihrer vorhandenen Zugehörigkeiten konsequent bekämpfen. Im Interesse des für unsere Existenz entscheidenden Mittelstandes und damit von uns allen. Wir dürfen unsere Gesellschaft nicht zu Tode kapitalisieren und nicht zu Tode sozialisieren, wir müssen sie in die Mitte der ausgewogenen Leistungen und des breiten Wohlstands bringen. Die beste Armutsbekämpfung und Zukunftssicherung in unserem Land ist eine intensive Förderung des Mittelstandes.

Wenn die zukünftige Regierung das nicht beherzigt, findet sie – wie wir ja alle sehen können – ständig abnehmende Zustimmung in der Bevölkerung und wird letztlich von neuen Parteien abgelöst werden, die das dann wirklich umsetzen.

Wolfgang Lusak

Kategorie: