Warum wir alle einmal aufblicken sollten, statt mit gesenktem Kopf gegen Wände zu laufen, alles hinzunehmen oder gar den Kopf zu verlieren. Der Mittelstand wird dabei vorangehen.
Kürzlich beobachtete ich einen jungen Mann, der mit gesenktem Kopf auf sein Mobiltelefon blickend gegen ein Verkehrsschild lief und gleich drauf verdutzt am Boden saß. Wir alle haben uns schon über Autofahrer geärgert, die lebensgefährliche Fahrweisen hinlegen, weil sie ganz offensichtlich nach unten aufs Handy statt nach vorne auf den Verkehr sehen. In öffentlichen Verkehrsmitteln sehen wir die vielen vornüber Gebeugten, die auf Tablets oder ganz ins Leere starren, die ihre unmittelbare Umwelt ignorieren und mit oder ohne Drogen in „anderen Sphären schweben“. Wenn das nur die Einzigen wären.
Nicht zuhören, kein Überblick: Wir kennen aber auch Führungskräfte, die beim Meeting den Kopf so halten, dass sie auf das knapp unterhalb ihrer Tischkante befindliche Kommunikationsgerät blicken statt ihren Gesprächspartnern in die Augen zu sehen. Sie hören nicht zu, weil sie „schnell mal“ ihre Mails checken. Sie erheben sich auch manchmal, um sich eine Zeit lang zu entfernen. Sie bringen damit ganz klar Ihre Missachtung der anderen Anwesenden und dem Meeting-Thema gegenüber zum Ausdruck. Im Fernsehen und bei Events senken nicht selten Politiker und Manager bei Ansprachen leicht den Kopf bzw. den Blick um auf eine Vorlage zu sehen, die Ihnen all die Stichworte liefert, die sie offenbar nicht ausreichend parat haben. Demgegenüber erduldet die Mehrheit der Menschen der westlichen Welt mit gesenktem Kopf und tatenlos die Fehlentwicklungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Das erschütterndste Bild: Mit gesenktem Kopf kniet ein Mensch aus der westlichen Welt vor seinem terroristischen Scharfrichter, der ihn schließlich enthauptet.
Ich sehe dieses zunehmende Kopfsenken, Wegtauchen und Ausweichen in der westlichen Gesellschaft als eine unbewusste Geste der Wehrlosigkeit, Angst, Unterwerfung und der Dekadenz. Die gesenkten Köpfe Europas sind Ausdruck einer orientierungslosen, realitätsverweigernden, ambitionslosen Gesellschaft, die sich dem Schicksal ausgeliefert fühlt. Eine Gesellschaft, die dort ist, wo sie unverantwortliche Mächtige gerne haben wollen: In der Position der Duckmäuser, Ja-Sager, der entmündigten Konsumenten und des Stimmviehs.
Kopf hoch: Natürlich ist dies kein Plädoyer gegen die Nutzung moderner Kommunikationsmedien, sondern für den Blick nach vorne, den aufrechten Gang und ein selbstbestimmtes Leben. Dafür, endlich wieder das Wichtige vor dem Dringenden zu tun. Der kreative, bildungsfreudige und unternehmungslustige Mittelstand hat die große Chance hier voranzugehen. Mit Hinsehen statt Wegschauen, Nachdenken statt Grübeln, Teilhabe statt Apathie, Erneuerung statt Wiederholung. Für ein innovatives und demokratisches Global-Zukunftsmodell. Also: Kopf hoch, Europa!
Wolfgang Lusak, Unternehmensberater und Lobby Coach
Kleine Hinzufügung für „Feinschmecker“: „Nur der freie Mensch, der sich von einer drohenden und schützenden Autorität losgemacht hat, kann seine Vernunftkraft anwenden und objektiv die Welt und seine eigene Rolle darin erfassen – ohne Illusion, aber mit der Fähigkeit, sein Leben zu entwickeln und zu gebrauchen.“ (Erich Fromm)
Das Ganze ist auch am 13.10.14 im KURIER erschienen: http://www.lobbydermitte.at/wp-content/uploads/bsk-pdf-manager/54_KURIER_13.10.14_GASTK_LUSAK.PDF