Mitte, umworben aber verschaukelt

Ob bei der deutschen Bundestagswahl oder in den österreichischen Regierungsverhandlungen:

Mitte wird immer umworben aber auch immer wieder verschaukelt.

Fällt Ihnen das auch schon auf? Ständig und vor Wahlen ganz besonders reden Politiker über die Mitte, die sie angeblich repräsentieren würden. Machen wir einen Faktencheck.

In Deutschland beansprucht seit jeher die CDU die Position der politischen Mitte. Bei der bayerischen Schwesterpartei CSU heißt das „Politik für die bürgerliche Mitte“. Aber auch der aktuelle Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck bot bei einem Wahlkampfauftritt seine Partei „als neue politische Heimat der Mitte“ an. Und auf der SPD-Wahlkampf-Website prangt jetzt der Slogan „Mitte statt Merz“ mit der Begründung, dass die Merz-CDU die Mitte verlassen hätte und sie, die SPD, eine „stabile Regierung der Mitte“ bilden könne. Die FDP gilt allgemein als liberale „Mitte-rechts“-Partei. Lauter echte Mitte-Parteien? Worüber streiten die dann eigentlich?

In Österreich ging die Nehammer-ÖVP mit einer „Wir, die Mitte“-Kampagne in den Wahlkampf. Die SPÖ ringt aktuell so sehr mit sich selbst, dass Mitte kein Thema ist, eventuell die angestellte Mittelschicht. In der FPÖ sehen sie sich zwar „längst in der Wähler-Mitte“ angekommen, kommunizieren aber lieber ihre alten Kernthemen „an Euch alle“, kein Wort von Mitte im Kurz-Parteiprogramm. Kickl scheint sich aber über die Aufforderung von Stocker an ihn, doch mehr in die Mitte zu rücken, sehr aufgeregt zu haben. Die Grünen haben als ÖVP-Koalitionspartner lieber ihre Kernwähler adressiert als die Mitte. Die NEOS sehen sich ganz klar als Mitte-Partei, bauen sie in ihre Parlamentsarbeit ein, aber kaum in ihre Überschriften.

Fakt ist, dass trotz Mitte-Lippenbekenntnissen die politische und wirtschaftliche Durchsetzungskraft der Mitte (unternehmerischer Mittelstand & angestellte Mittelschicht) in Österreich und Deutschland seit 50 Jahren sinkt. Fakt ist, dass es längst eine Umverteilung von Mitte zu Reich und Arm gibt. Fakt ist, dass die Bevölkerung das längst erkannt hat. So sehen z.B. laut Lobby der Mitte-Mittelstandsbarometer nur 4% der Menschen in Österreich eine durchsetzungsstarke Mitte, sehen 34% in keiner der NR-Parteien eine Mitte-Partei. Fakt ist, dass die Mitte durch Steuerungerechtigkeit, Bürokratie und Kapital-Mangel benachteiligt ist – zugunsten der Konzerne und Reichen, aber auch eines überbordendes Sozialsystems. Fakt ist, dass das diejenigen Parteien zu verantworten haben, die die letzten 50 Jahre Regierungsverantwortung trugen.

Warum die Politik dennoch auf Mitte setzt? Weil sie wissen: die Mitte ist ein großer Sehnsucht- und Zugehörigkeitsort der Mehrheit. Weil sie – links wie rechts – davon ablenken will, dass sie zu oft mit Polarisierung und Spaltung Randwählergruppen für sich mobilisiert. Weil sie letztlich doch auf laute Proteste, einseitige Medien und unterstützende Too-Big-to-Fail-Großunternehmen eingehen und damit die Mitte verschaukeln.

Schuld sind aber auch die Zugehörigen der Mitte, die nicht reagieren, sich nicht engagieren oder protestieren. Die lieber „in Ruhe“ arbeiten und leben wollen, was den meisten von ihnen aber angesichts der gegenwärtigen Fehlentwicklung und „Mitte-Losigkeit“ sehr bald unmöglich sein wird. Weil dann die Mitte tot ist. Und mit ihr der Staat und die westliche Gesellschaft.

Mag. Wolfgang Lusak ist Obmann der unabhängigen „Lobby der Mitte“. Kürzlich veröffentlichte er seine Erzählung „Mein Herz schlägt in der Mitte“ in dem er ein Fünf-Punkte-Programm für die „Gesellschaft der Mitte“ vorlegt.

Schulgasse 18, 1180 Wien,  office@lusak.at, Tel 01 315 45 36, www.lobbydermitte.at  www.lusak.at

 

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