Wenn Josef Urschitz, das „Kommentar-Urgestein“ von DIE PRESSE die neue Regierung kommentiert, dann ist das allemal lesenswert. Danke vielmals und Kompliment!
Die unerschütterliche Liebe zu hohen Steuern
Josef Urschitz (Redakteur und Kolumnist Economist DIE PRESSE)
Fangen wir heute mit ein paar Zitaten zur anstehenden Budgetkonsolidierung an. Zum Beispiel mit dem: „Hohe Abgaben bedeuten keinen Wohlstandsverlust, wie die Neoliberalen mit antisozialer Absicht behaupten. (…) Deshalb wird eine fortschrittliche Bundesregierung Millionärs-, Erbschafts-, Grund- und Körperschaftsteuer eine größere Rolle beimessen.“ Die Kürzung von Lohnnebenkosten wäre „schädlich und ungerecht“. Außer sie würde aufkommensneutral gemacht. Man könne etwa eine Senkung des Beitrags zum Familienlastenausgleichsfonds um einen Prozentpunkt „durch eine Anhebung des Körperschaftsteuersatzes um vier Prozentpunkte“ gegenfinanzieren.
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Das größte Potenzial für einen notwendigen Konjunkturimpuls und für die Budgetsanierung bestehe freilich in einer „Verringerung des Sparüberschusses der Haushalte durch gezielte Verteilungspolitik“. Denn die Privaten, besonders die Bessergestellten unter ihnen, sparen aus volkswirtschaftlicher Sicht zu viel, statt die Konjunktur anzukurbeln. Konkret gehe es um eine „Umverteilung vom oberen zum unteren Einkommensdrittel“. Generell sei eine „einnahmenseitige Budgetkonsolidierung über höhere Steuern vor allem auf Kapitaleinkommen, Erbschaften und Vermögen“ zu bevorzugen. |
Kurz zusammengefasst: Mehr Steuern für Private und Unternehmen sind toll, Effizienzsteigerung (also Sparen) macht nur Konjunkturstress und kommt noch dazu den Falschen zugute (??). Ein tolles Konzept für ein Land mit einem krassen Ausgabenproblem, aber einer der höchsten Steuer- und Abgabenquoten der westlichen Welt. Ein Land, das von Einnahmen- zu Einnahmenrekord springt – und trotzdem mit seinen Staatseinnahmen immer weniger auskommt. |
Von wem diese Zitate stammen? Na, von unserem neuen Finanzminister. Sie sind freilich allesamt nicht dem Regierungsprogramm entnommen, sondern dem von der Arbeiterkammer betriebenen A&W-Blog. Und sie stammen aus Beiträgen, die der nun zum Chef über die Staatsfinanzen avancierte Chefökonom der AK, Markus Marterbauer, in den vergangenen drei Monaten dort verfasst hat. Nur damit Sie wissen, wie die neue Spitze in der Wiener Johannesgasse 5 tickt. |
Jetzt sind die Erwartungen an die neue Regierung ja generell nicht übertrieben hoch. Kickl zu verhindern mag zwar angesichts des selbstherrlichen und machtbesoffenen Agierens des FP-Chefs während der Koalitionsverhandlungen ein Gebot der Stunde gewesen sein, reicht als Basis für eine Reformregierung, die dieses Land jetzt brauchen würde, aber nicht aus. Es scheint wirklich so gewesen zu sein, wie mir ein mit den Verhandlungen vertrauter Insider knapp vor der Bildung der Koalition sagte: „Die SPÖ ist von ihrem linken Flügel gekapert“ – und der ÖVP ist jetzt alles „wuascht“. Und die Neos? Haben sich da zwischen diesen beiden Blöcken unter Umständen auf ein Abenteuer eingelassen, das ihnen das FDP-Schicksal bescheren könnte. |
So gesehen ist das Regierungsprogramm gar nicht so schlecht ausgefallen. Da stehen ja eine ganze Reihe von grundvernünftigen Punkten drin. Als Überschriften halt. Aber wenn die abgearbeitet werden, kann in Detailbereichen schon einiges weitergehen. |
Die großen Reform-Leuchttürme fehlen freilich. Das heißt, es geht in den nächsten Jahren strukturell wohl nicht viel weiter. Gerade die festgefahrenen Strukturen sind aber die größten Konjunktur- und Wohlstandsbremsen in diesem Land, in dem die einzigen Wachstumsbereiche das Budgetdefizit und die Länge der Regierungsbank sind. |
Dabei stehen ziemlich große Brocken an, wenn man das Land weiterbringen will. Die Bildungskatastrophe, das bröckelnde Gesundheitssystem, die Misere mit der Pensionsfinanzierung sind ja nichts Neues. Und wirkliche Lösungsansätze sind dafür jedenfalls im Moment nicht sichtbar. Was aber viele noch nicht auf dem Radar haben (die Regierung hoffentlich schon), sind die in den vergangenen Tagen sehr deutlich sichtbar gewordenen geopolitischen Umbrüche, konkret die Entfremdung zwischen Europa und den USA des Herrn Trump. Und deren voraussichtlich nicht so kleine Kosten. |
Nicht nur, dass einer der wichtigsten Exportmärkte für die heimische Wirtschaft schwieriger wird, kommen mit dem drohenden Wegfall des amerikanischen Schutzschilds auch gewaltige Rüstungskosten auf Europa zu. Denn wenn die EU auch machtpolitisch im Konzert der drei großen Volkswirtschaften mitspielen will, wird sie dafür sorgen müssen, dass Europa künftig auch militärisch ernst genommen wird. Und da wird sich Österreich – Neutralität hin oder her – nicht ausklinken können. |
Die unausgesprochene, noch aus dem Kalten Krieg herübergerettete rot-weiß-rote Militärdoktrin („Wir müssen zwei Tage durchhalten, dann sind eh die Amerikaner da“, hat mir das ein Heeresoffizier einmal plastisch zusammengefasst) ist endgültig Geschichte. |
Das wird richtig teuer. Und das in einer Zeit, in der dem Land ohnehin schon die Ausgaben über den Kopf wachsen. In dieser Zeit auf substanzielle breitflächige Steuersenkungen zu setzen, wäre ein bisschen blauäugig. Es kommt ja auch das aktuelle Regierungsprogramm trotz aller Wahlversprechen nicht ohne höhere Steuern aus. Aber man muss als Finanzminister aufpassen, dass man die Kuh vor lauter Melken nicht umbringt. Es wird ein Schwerpunkt also wohl auch auf einer drastischen Durchforstung der Staatsausgaben liegen müssen, wenn das Budget nicht vollends aus den Fugen geraten soll. |
Die Ernennung des hochsteuer- und umverteilungsverliebten Finanzministers und die gewaltige Aufblähung der Regierungsbank deuten leider nicht darauf hin, dass dem irgendeine Priorität zugemessen wird. |
Aber schauen wir uns das erst einmal an, bevor wir zu viel kritisieren. Es kann ja auch sein, dass die wirtschaftliche Lage zwingt, Pragmatismus vor Ideologie zu reihen. Dafür gibt es ja ein prominentes Beispiel: Ferdinand Lacina, Finanzminister von 1986 bis 1995, kam wie Marterbauer aus dem ideologisch linken Eck der SPÖ. Er war, muss man neidlos sagen, einer der wenigen Finanzminister dieser Republik, die die Finanzen dieses Landes mit wirklich hohem Sachverstand verwaltet haben. Ihm verdanken wir die Privatstiftungslösung, die Abschaffung (der sinnlosen, weil mit hohem Einhebungsaufwand und mickrigem Ertrag verbundenen) Vermögensteuer und die Endbesteuerung der Kapitalerträge. |
Alles Dinge, die Herrn Marterbauer wahrscheinlich erschaudern lassen. Die er aber (abgesehen davon, dass das nicht im Regierungsprogramm steht) ohnehin schwer ändern könnte, weil sie (mit Ausnahme des Privatstiftungsgesetzes) sogenannte Zweidrittelmaterien sind. Es wird also nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Und zwischen Beiträgen in einem Blog und konkreter Regierungsarbeit liegen eben Welten. Also lassen wir uns positiv überraschen. Auch wenn man da schon viel Optimismus benötigt. |
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Josef Urschitz |
josef.urschitz@diepresse.com |
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