Kredit-Klemme: Wohin gehen eigentlich die Billionen des künstlichen Geldes, welches die EZB in die Märkte pumpt?

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Kredit-Klemme: Wohin gehen eigentlich die Billionen des künstlichen Geldes, welches die EZB in die Märkte pumpt?

von Karl-Heinz Stiegemann (aus seinem aktuellen IFM -Institut für den Mittelstand-Newsletter) mit Antworten auf die Fragen zahlreicher mittelständischer Unternehmer, die die Finanzmaßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht nur nicht verstehen, sondern langfristig darin eine Gefahr für die Entwicklung ihres eigenen Unternehmens sehen.

Seit März kauft die EZB jeden Monat für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen. Doch Geld drucken alleine reicht nicht. Das muss die EZB mittlerweile auch feststellen. Problem ist u.a. die Störung des Geldkreislaufs. Warum greifen die Liquiditätsmaßnahmen nicht, vor allem bei der Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen?

Anmerkung: Bereits seit 2008 führen die Liquiditätsmaßnahmen der EZB nicht mehr zu einer Ausweitung des Kreditvolumens der Unternehmen – mit Ausnahme von 2011 ist das Volumen seitdem in jedem Jahr gesunken.

Die Kredite an private Haushalte folgten bis zur Finanzkrise dem üblichen Muster: Erhöhte die Notenbank die Liquidität, stieg auch das Kreditvolumen, wenn auch mit einer Verzögerung von etwa einem Jahr. Im Zeitraum 2008 bis 2012 funktionierte dieser Mechanismus allerdings nicht, denn die Geschäftsbanken gaben das EZB-Geld nicht an die Haushalte weiter. Danach hat sich das Ganze zwar wieder normalisiert, jedoch reagiert die private Kreditnachfrage seitdem etwas schwächer auf die Geldpolitik als vor der Krise.

Die Kredite an Unternehmen reagieren ebenfalls nicht mehr so, wie das die Geldpolitiker wollen – noch dazu besteht diese Störung des Geldkreislaufs schon länger und fällt auch stärker aus als bei den privaten Haushalten.

Das einzige, was durch die EZB-Geldflut wieder genesen scheint, ist der  Interbankenmarkt, also die Kreditvergabe der Banken untereinander. Rein technisch heißt das, dass der geldpolitische Transmissionsmechanismus wieder funktioniert.

Die EZB wird immer mehr zum Gefangenen ihrer eigenen Niedrigzins-Politik. Trotz des massiven Gelddruckens herrscht in Europa eine Kredit-Klemme. Wohin aber gehen die Billionen? Netzwerk-Analysen zeigen: Die Profiteure sind einige wenige große Unternehmen der global agierenden Finanzindustrie. Beim Europäischen Mittelstand ist das Geld jedenfalls nicht angekommen.

Noch vor einem Jahr rechneten ein Großteil der von Reuters befragten Ökonomen damit, dass die geballte Macht der Maßnahmen der EZB zusammen maximale Wirkung zeigen werden und die Kreditklemme lösen kann.  Maximale Wirkung – doch für wen? Wenn die bisher in den Markt gepumpten Billionen nicht geholfen haben, warum sollte noch mehr künstliches Geld das Problem lösen? Den Ökonomen kann man nur bedingt vertrauen – sie haben die meisten Ereignisse in der Regel erst im Nachhinein erklärt.

Zentralbank-Chef Mario Draghi betonte noch zuletzt, dass die Kreditklemme in einigen Euro-Ländern das Wirtschaftswachstum hemme. So gehört etwa Portugal neben Italien und Spanien zu den Ländern in der Euro-Zone, in denen es bei den Darlehensvergaben am stärksten hakt. Die EZB treibt weiterhin die Sorge um, dass eine zu lange Phase niedriger Inflation – oder gar deflationärer Tendenzen – dazu führen könnte, dass Firmen und Verbraucher in Erwartung eines Preisverfalls Ausgaben und Investitionen aufschieben.

Tatsächlich scheinen die zuletzt beschlossenen Maßnahmen zum Ankauf von Staatsanleihen ein perfektes Schneeball-System zu sein: Die EZB verschenkt Geld an die Europäischen Staaten. Die Banken können sich bei der EZB billiges Geld holen, dafür ebenfalls Staatsanleihen kaufen und diese dann als Sicherheiten für noch mehr billiges Geld bei dieser hinterlegen. Der zu zahlende Strafzins stört höchstens die deutschen Sparkassen und Volksbanken, die somit auf Dauer keine Fristentransformationserträge erzielen können. Dagegen können die großen Bank- und Finanzinstitute global Assets kaufen oder sich an Spekulationen beteiligen. Und so sieht es aktuell aus:

Der DAX ist in der Zeit vom 01.01. – 31.03.2015 von 9.806 Punkten auf aktuell 12.001 Punkte,
also um 22,4 Prozent gestiegen.

Die Umlaufrendite in Deutschland ist von ihrem bereits historischen Tief von 0,48 % am 31.12.2014 nochmals auf aktuell 0,15 % gefallen.

Anmerkung: Die Umlaufrendite ist der durchschnittliche Renditewert aller inländischen, bereits emittierten Anleihen erster Bonität,  insbesondere Staatsanleihen, welche sich aktuell im Umlauf befinden.

Der EURO hat 11,6 Prozent gegenüber dem US-Dollar verloren und ist von 1,21 am 31.12.2014 auf seinen historischen Tiefstkurs von 1,07 am 31.03.2015 gefallen.Das kann doch alles nicht gesund sein! Der IWF bekommt bereits kalte Füße, die großen Banken- und Finanzinstitute und die Schulden-Staaten (bis auf Griechenland) sind glücklich.

Auch Deutschland könnte glücklich sein! Die wirtschaftliche Entwicklung gibt keinen Grund zu Beanstandungen. Erstmals seit vielen Jahren steigen die Löhne wieder real und deutlich oberhalb der Inflationsrate. Die Arbeitslosenquote sinkt weiter, die Prognosen für wirtschaftliches Wachstum sind positiv. Also –  worüber sollten wir uns aufregen?

Aber springen wir hier nicht zu kurz? Zuerst gilt es auch hier europäisch zu denken. Nur in einem wirtschaftlich gesunden europäischen Umfeld wird Deutschland dauerhaft erfolgreich sein. Und, wie zuletzt auch, wird nach Auffassung vieler, fast ausschließlich das Netzwerk der großen Banken- und Finanzinstitutionen in Europa und in den USA,  von diesen Schneeball-Effekten profitieren.

Doch ist dieses Netzwerk der Finanzeliten stark und widerstandsfähig, so dass am Ende auch die europäischen Volkswirtschaften davon profitieren können?  Eher nein. Wie sich bereits bei der Finanzkrise 2008 gezeigt hat, ist dieses System  brandgefährlich. Denn wenn das Netz an einer unerwarteten Stelle reißt, wird es wieder für alle kritisch.

Anmerkungen sind keine Antworten. Doch sollten alle Verantwortlichen die alt bekannten und bewährten volkswirtschaftlichen Instrumente nicht vollkommen außer Acht lassen und auch weder die Auswirkungen der letzten Finanzkrise noch die negativen Auswirkungen der langjährigen Niedrigzinspolitik in Japan und in den USA bei Ihren Überlegungen und Beschlüssen   unberücksichtigt lassen.

Anmerkungen zu Karl-Heinz Stiegemann:
Stiegemann war von 1980 – 2002 für die Commerzbank und bis 2008 als Vorstandsmitglied für die Stadtsparkasse Düsseldorf, verantwortlich für das Firmenkundengeschäft, tätig. Er ist Gründungsmitglied des IFM Institut für den Mittelstand – www.institut-mittelstand.eu
Im IFM Institut für den Mittelstand hat Karl-Heinz Stiegemann ein einmaliges Netzwerk von hoch qualifizierten Experten zusammengebracht, die sich europaweit auf die Beratung mittelständischer Unternehmer spezialisiert haben.

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