Wolfgang Lusak: Die zunehmenden Hass-Verbrechen haben eine klare Ursache. Mit der wird sich die Politik endlich beschäftigen müssen. Es geht darum den Tod der freien Gesellschaft abzuwehren.
Es ist – auch nach Meinung renommierter Wissenschaftler – die Angst der Menschen, vor allem deren Angst vor dem Tod, welche sie dazu veranlasst Hass zu empfinden und in der Folge Menschen zu verletzen und zu töten. Sie suchen verzweifelt Antworten auf das unbewusste oder bewusste tiefe Entsetzen über die eigene Endlichkeit, das unausweichliche Verlöschen der Existenz. Dabei haben sie verschiedene Strategien zur Angst-Bewältigung entwickelt: 1) Selbstmord. 2) Glaube an ein ewiges Leben im Himmel, an Seelenwanderung oder ähnliches. 3) Weiterleben durch patriarchalische Fortpflanzung und Art-Erhaltung. 4) Als „unsterbliche“ Berühmtheit in die Geschichte eingehen.
Der im strenggläubigen Patriarchat fundierte Selbstmord-Attentäter handelt demnach zumindest dreifach logisch um seine eigene Ur-Angst zu bewältigen: Er tötet die „Feinde“ seines Glaubens, seine „Geschlechtskonkurrenten“ und kommt noch dazu in den Himmel. Auch Entführer oder Vergewaltiger von Frauen wollen sich in gewisser Weise „verewigen“. In der Familie des strenggläubigen Patriarchen werden die Töchter und Frauen mit Bekleidungsvorschriften (von Kopftuch bis Burka) und Geschlechtsverhalten (Kinderehe, Zwangsverheiratung) kontrolliert. Oft werden seine Kinder im Genitalbereich beschnitten und mit Schlägen erzogen. Frauen wie Männern drohen bei Abfall vom Glauben Repressalien und drakonischen Strafen. In patriarchalischen Gottesstaaten werden „Ungläubige“ marginalisiert. Als Zuwanderer in westliche Länder vermeiden sie als strenggläubig-patriarchalische Parallel-Gesellschaften die Integration und noch mehr die Assimilation. All das aus Angst.
Ist die Kraft der westlich-liberalen Gesellschaft groß genug für die Integration aggressiv-patriarchalischer Bewegungen?
Und wir? Sind wir durch die Aufklärung alle zu angstfreien, toleranten Wesen geworden? Auch nicht. Viele bekommen es angesichts von Christenverfolgungen, im Osten näher rückenden Autoritär-Staaten, neuen Massen-Migrationswellen aber auch schon von hier präsenten andersartigen Kulturen und Kopftuch-Frauen mit Kinderwägen mit der Angst zu tun. Hysterie, Fremdenfeindlichkeit oder berechtigte Verunsicherung? Es ist auch Todesfurcht die uns vor einer Welt erschaudern lässt wie sie in Houellebecqs Roman „Die Unterwerfung“ oder in Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ dargestellt wird.
Für die Europäer bleiben viele Fragen offen: Wer wird sich in Europa in hundert Jahren durchgesetzt haben und wie sieht es dann aus? Haben sich in der Geschichte bisher eher die tolerant-vielfältigen Demokraten oder die einheitlich-hermetischen Gesinnungs- und Glaubensgruppen durchgesetzt? Ist die Kraft der westlich-liberalen Gesellschaft groß genug für die Integration aggressiv-patriarchalischer Bewegungen? Wie sehr können wir noch an den Erhalt unserer Gesellschaftsform und Rechtsstaatlichkeit glauben? Was ist jetzt zu tun? Mit diese Fragen sollte sich die Politik in Österreich und der gesamten EU ernsthaft und dringend beschäftigen um nicht nur ideologischen Links-Rechts-Populismus oder kapitalistische Marktzwänge sondern für die Zukunft taugliche Lösungen und Maßnahmen hervorzubringen.
Neue Grundlage gefordert
Woody Allen hat einmal gesagt „Der Tod? Ich bin entschieden dagegen!“, um weiterhin unermüdlich Filme zu drehen. Das mag als humorvoll-individuelle Verdrängung für Workaholics durchgehen, als staats- und europapolitische Lösung taugt sie nichts. Dafür brauchen wir gerade in einer globalisierten Welt der begrenzten Ressourcen eine philosophisch-wissenschaftlich-politische Grundlage, die wir offenbar noch nicht haben. Wenn wir diese Basis haben, dann muss man die patriarchalischen Gemeinschaften und alle misstrauisch Weltoffenheit ablehnenden Kreise in die Pflicht nehmen, verbindlichen Ethik-Unterricht, eine Integrationspolitik mit Sanktionen und Zuwanderungs-Kontrolle entwickeln – und damit natürlich auch Konzepte für besseren Umweltschutz, effiziente Kriegsvermeidung und gegen kapitalistischen Wachstumswahn.
Das fehlende Glied zwischen den Tieren und den Menschen sind wir. Als Vernunft begabte, voraus schauende Wesen werden wir weiterhin den Tod fürchten. Aber mit Liebe und Mut können wir uns transformieren und den Tod der freien Gesellschaft abwenden.
P.S.: Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Im Zusammenhang mit Ihrem Kopftuch-Solidaritäts-Aufruf möchte ich Sie fragen: Empfinden Sie kein Mitgefühl für die unzähligen Mädchen, die schon in Kindergarten und Volksschule von ihren strenggläubig-patriarchalischen Eltern mit Kopftuch auf ihre Rolle als „ehrbare Frauen“ eingestellt werden, aus der es später für sie kaum ein Entkommen gibt?
Wolfgang Lusak, Unternehmensberater und Lobby-Coach