Faires Lobbying macht KMU stark

Wie der Mittelstand in Sachen Durchsetzungskraft mit den Konzernen gleichziehen kann ohne sich dafür auch nur im geringsten genieren zu müssen – mein Plädoyer für den Aufbau eigener Lobbys.

Jetzt ist die beste Zeit für engagierte und innovative Unternehmer Lobbying aus der schmuddeligen Ecke des Mysteriös-Verbotenen zu holen um daraus ein faires, transparentes und professionelles Marketing- und Management-Instrument zum Nutzen aller zu machen. Auch oder gerade weil sich Lobbying auch mit einem richtig eingesetzten Messer vergleichen lässt. Mein Plädoyer für den Aufbau eigener Lobbys von KMU und KMU-Kooperationen.

Mit einem Messer kann man Gemüse schneiden oder auf Menschen einstechen. Es wird Zeit, dass wir in Wirtschaft und Marketing erkennen, dass Lobbying ein ganz neutrales Instrument ist, das man sowohl zum Bösen als auch zum Guten verwenden kann. Das ist ja auch bei Werbung, PR und im Web so. Nur weil sich Schurken unter Anwendung von Lobbying-Maßnahmen gesetzwidrig verhalten und unfair bereichern, also missbräuchlichen „Lobbyismus“ praktizieren, dürfen anständige Menschen nicht – und schon gar nicht die Wirtschaftstreibenden – auf Lobbying verzichten.

Jeder „kann“ Lobbying, wenn er sich nur damit befassen will: Ein dynamisches EPU, ein erfinderisches Startup, ein exportierendes KMU, ein digitale Großprojekte anstrebendes Industrie-Unternehmen kann sich das Know How aneignen und eigenständig Lobbying-Strukturen aufbauen.

Networking ist zu wenig
Lektion Nr.1 am Weg zum erfolgreichen, aber sauberen Lobbying: Das übliche Netzwerken reicht nicht aus! Es ist nur bloßes Andocken an vorhandene Lobbys, ein „Adabei“-Verhalten, welches immer beschränkter Kontakte und Chancen eröffnet. In Zeiten schwächer werdender alter Seilschaften wie Staaten, Kammern, Parteien, Bünde und Berufsgruppen kann es keine ausreichende Strategie sein sich dort nur anzuhängen und von kleiner werden Kuchen mit zu naschen. Weisen nicht neue politische Bewegungen und Listen, wachsende Innovations-Cluster, branchenübergreifende Allianzen und digitale Fusionen bereits den Weg? Zukunftsorientiertes Lobbying bedeutet eigene Kooperationen und Lobbys aufbauen zu können, durch die man – gerade im Fluss der Veränderungen und mit Blick auf neue Märkte – mehr selbst bestimmen und durchsetzen kann. Jede dieser neuen Einheiten braucht nicht nur starken internen Zusammenhalt, sondern auch eine äußere, gesellschaftliche Relevanz und Anerkennung, eine Lobby.

Selbst-Ermächtigung und unternehmerische Vollendung
Eigenständiges Lobbying ohne Verwendung teurer Profilobbyisten ist für Unternehmen aller Größen und besonders wenn man mögliche Effizienz bedenkt für die Erreichung mutiger Ziele unerlässlich. Oft geht es darum, direkte Zugängen, Aufträge und Unterstützungen zu kommen, um Förderung oder Finanzierung, auch um Genehmigungen, Zertifizierungen und Normungen. In größeren Projekten auch um Rahmenbedingungen und Einfluss auf Gesetze und Verwaltung. Noch wichtiger aber ist es in Zeiten sinkender Staatsmacht öffentlich Verantwortung zu übernehmen und einen Beitrag zu Daseinsvorsorge, Wohlfahrt und Nachhaltigkeit zu leisten, also Menschen und Umwelt zu dienen. Dennoch halten es viele immer noch für Teufelswerk.

Licht ins Dunkel der Lobbying-Praxis in Österreich
Seit 10 Jahren führe ich in bisher 7 Wellen mit Gallup repräsentative Befragungen unter Österreichern und Führungskräften zum Thema Lobbying durch. Das brachte einige interessante Erkenntnisse: Die spontanen Assoziationen zu dem Begriff Lobbying sind zu ca. 60% neutral/positiv und nur zu ca. 40% kritisch/negativ. Allerdings sind 48% der Ansicht, dass Lobbying automatisch zu Vetternwirtschaft, Unfairness und Korruption führt. Demgegenüber haben 64% der Führungskräfte die Meinung, dass Lobbying sowohl zum Guten als auch zum Schlechten verwendet wird. Alle miteinander haben offensichtlich gelernt zwischen sinnvoller Kommunikation und primitiver Packelei zu differenzieren. (> Grafik dazu)

Bedenklich: 76% der Österreicher halten Konzerne und die Politik für ständig an Einfluss gewinnende „Lobby-Sieger“ und damit als ca. 3 x so durchsetzungsstark wie KMU/Mittelstand. Umgekehrt wird der Mittelstand als klare Nr.1 gesehen, wenn es um die Frage „Wer bringt uns aus der Krise?“ geht. 91% der Österreicher halten den Mittelstand für wichtig, eine Mehrheit wünscht ihm stärkere Interessenvertretung, also mehr Lobbying-Erfolg. Die Führungskräfte schätzen den Lobbying-Nutzen von Konzernen gar mit 98% und von Global-Finanz mit 83% noch deutlich höher, von KMU/Mittelstand noch etwas tiefer als die Bevölkerung ein. (> Grafik dazu)

EU-Lobbying am Prüfstand
Lobbyfacts.eu nennt Zahlen: Die Top-7 der Big Spenders im EU Lobbying sind: 1. EXXON Mobil, 2.Shell, 3. Microsoft, 4. Deutsche Bank, 5. Dow, 6. Google (an stärkten steigend) und 7. Volkswagen, sie geben offizielle 3-5-Mio per anno aus. Die Top 50 der EU-Lobbying-„Investoren“ haben seit 2012 Ihre Ausgaben um 40% gesteigert – dahinter werden große Dunkelziffern vermutet. Es sind aber nicht nur die Top-Unternehmen, welche Lobbying betreiben, sie beauftragen auch die größten Lobbying-Agenturen und durchdringen die wichtigsten Thinktanks der EU – all dem sollte die mittelständische Realwirtschaft, also die Familienbetriebe, die KMU und all Ihre Kooperationen etwas gegenüberstellen – ich sage bewusst nicht „entgegensetzen“, denn viele Lobby-Kooperationen können auch Startups, KMU und Konzerne in einem Verbund umfassen (was vielfach schon Realität ist)! Und dieses „gegenüberstellen“ sollte auch systemisch und professionell aufgezogen werden. Wir brauchen mehr Know How und mehr Lobby-Struktur für den Mittelstand und insbesondere die innovativen, exportierenden und kooperativen Unternehmen.

Genau in dem Punkt gilt es einen Turnaround zu Gunsten des staatstragenden Mittelstands zu erreichen: Die große Masse der Betriebe beschwert sich gerne über die „Gummiwände“ in Politik, Verwaltung und Verbänden, auf die sie mit ihren Projekten stoßen und über die schlechten Rahmenbedingungen, die Bürokratie etc. Das tut sie zurecht. Noch besser wäre es, wenn die Betriebe ihre Energie in kluges Individual- und Kooperations-Lobbying stecken. Hier ein paar Erfolgsbeispiele:

Was haben die Firmen Fonatsch, Veritas und Hydroconnect gemeinsam?
Sie sind alle drei drauf und dran aus einer guten Geschäftsidee, klug ausgewählten Kooperationspartnern und einem seriösen Lobby-Aufbau große neue Märkte zu erschließen. Sie sind aber auch drauf und dran einen gewaltigen Nutzen für die gesamte Gesellschaft, einen echten Beitrag für den Standort Österreich und einen Impuls für die europäische Entwicklung zu geben.

Marie-Luise Fonatsch und Alexander Meissner (Foto unten) von FONATSCH, Nr.1-Lichtmastenerzeuger aus Melk haben mit Partner-Unternehmen und sehr viel konstruktivem Lobbying rund um ein innovatives Gemeinschaftsangebot die Initiative SSGM (Smart Safe & Green Mobility) gegründet um „Smart Streets“ zu gestalten und damit einen substantiellen Beitrag für langfristig wachsende, smarte Kommunen, Regionen und Städte zu leisten.
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Manfred Meraner (Foto unten) hat als Geschäftsführer des größten Schulbuch-Verlags Österreichs VERITAS die gefährlich schleppende Schulreform, das heiße Digitalisierungs-Thema und seine Vision zukunftsträchtiger Schulangebote zum Anlass genommen, sich an die Spitze der Initiative „Starke Schulen“ zu stellen und damit Schülern, Eltern wie Lehrern hilfreich zu sein.
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Nino Struska (Foto unten), Geschäftsführer der Fa. Hydroconnect (Hauptbeteiligter Fa. Seisenbacher/Ybbsitz) hat bei der Vermarktung der europaweit patentierten Drehrohr-Doppel-Wasserkraftschnecke – Hauptvorteil kostensparende nachhaltige Stromgewinnung bei gleichzeitiger Einhaltung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie bezüglich Artenschutz – alles richtig gemacht. Vor allem durch die Gründung der IFW/Initiative Fischwanderung & Wasserkraft mit ihrem Expertenforum und Know How-Pool war es möglich sowohl in ganz Europa als auch in Übersee Fuß zu fassen.
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Der bekannteste Profi-Lobbyist Österreichs hat mir einmal in einem Gespräch – dabei auf sein Smartphone zeigend und überlegen lächelnd – gesagt: „Das ist mein Kapital, da drin sind die Telefonnummern aller wichtigen Leute Österreichs und ich kann sie jederzeit persönlich anrufen.“ Selbst wenn er damit ein wenig geflunkert hat, so eine Aussage entlarvt worauf er glaubt, dass es ankommt: Auf „Vitamin B“ und die „richtigen Freunde“; dass man sich alles und alle kaufen kann. Dagegen trete ich entschieden auf. Angesichts des stark steigenden Bedarfs an Lobbying für die Durchsetzung von Ideen, Innovationen und Projekten lautet daher meine Frage an alle Unternehmen: „Netzwerkt Ihr immer noch oder Lobbyiert Ihr endlich systematisch und eigenständig?“ Und nicht aufgeben: „Ihr könnt den Global-Konzernen nicht verbieten, dass sie viel Geld und Know How in ihr Lobbying stecken, aber Ihr könnt sie sehr wohl mit den „eigenen Waffen“ schlagen oder -noch besser – sie sogar in Eure Projekte erfolgreich integrieren!“

Um sich einmal die wichtigsten Erfolgskriterien und -schritte vor Augen zu führen: Hier meine 7 Gebote für faires und erfolgreiches Lobbying:

1. Identifiziere die für dich relevanten Personen im Kreis der „6 Mächtigen“ (Politiker, Beamte, Experten, Verbandschefs, Manager, Journalisten) und integriere sie partnerschaftlich
2. Stelle den Nutzen möglichst vieler Menschen ins Zentrum deines Projektes und deiner Botschaft
3. Agiere nie alleine sondern als Motivator eines behutsam schrittweise aufgebauten (internen und externen) Teams anständiger und verlässlicher Gleichgesinnter: Deine eigene Lobby
4. Docke zusätzlich an für das Ziel relevante bestehende Lobbys an, um deine Botschaft auch dort bekannt und verständlich zu machen
5. Entwickle geeignete Lobbying-Instrumente, welche den Verstand und die Gefühle deiner Partner und Endzielgruppe ansprechen
6. Betreue die Mitwirkenden deiner Lobby bei klaren Zielen, Plänen und Berichten offen, unterstützend und regelmäßig
7. Agiere konsequent, geduldig und transparent: Decke Deine Handlungen selbst auf, z.B. mit Pressearbeit und eigenen Medien

Wolfgang Lusak

Dieser Artikel wurde von mir gerade auch (unter dem Titel „Das faire Lobbying“ und geringen Unterschieden) im aktuellen a3ECO MARKETING 9/2017 veröffentlicht

ZU STUDIEN-CHARTS:

Link zur gesamten LUSAK/GALLUP-Repräsentativ-Befragung (n=1000):

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