Lusak-Kommentar anhand der Aus- und Bewertung der in Juli/August 2019 durchgeführten und hier im Lobby der Mitte-Blog unter Mittelstands-Politik veröffentlichten Interviews mit den NR-Partei-Vorsitzenden Sebastian Kurz, Pamela Rendi-Wagner, Norbert Hofer, Beate Meinl-Reisinger und Werner Kogler:
NATIONALRATS-PARTEIEN AM MITTELSTANDS-PRÜFSTAND 2019
- Welche Parteivorsitzenden und Parteien beim Mittelstand vorne liegen.
- Welche Parteien beim Mittelstand durchfallen und warum.
- Wo die Parteien ihre „Mittelstands-Lücken“ haben.
- Was den Mittelstand am meisten enttäuscht.
Dass es nach so kurzer Zeit wieder eine Wahl gibt, hat die meisten Österreicher geärgert. Es war auch für den unternehmerischen Mittelstand unerfreulich, weil dadurch der Prozess der Verbesserung seiner Rahmenbedingungen wieder eingebremst wurde. Weil er in seinem individuellen Geschäft spüren konnte, dass durch das politische Vakuum bestimmte für ihn wichtige Unterstützungen, Förderungen, Events und Projekte verzögert wurden oder komplett ausgefallen sind.
Wir von der Mittelstandsplattform Lobby der Mitte haben daher wieder einmal das Angebot der Politik an den Mittelstand seinen Bedürfnissen und Erwartungen gegenübergestellt. Wir haben im Juli und August alle Partei-Chefs und -Chefinnen mit den gleichen Fragen interviewt und jetzt die Ergebnisse dieser Interviews evaluiert. Einerseits mit einem Punktesystem, in welchem die in den Interviews von den Parteien genannten Angebote und Versprechen an den Mittelstand mit seinen von uns noch im Juni durch 110 KMU-Interviews abgesicherten „Wünschen an die Politik“ abgeglichen werden. Andererseits mit einer Bewertung des bisherigen Langzeit-Verhaltens der Parteien – auch manifestiert in unseren seit 2008 in 8 Wellen durchgeführten Gallup-Mittelstands-Barometer-Umfragen in Bevölkerung und unter KMU/Mittelstandsbetrieben.
Auch wenn eine Punktebewertung vielleicht nur eine Moment-Aufnahme sein kann, so haben wir uns dennoch dazu entschlossen, weil es die aktuelle Kommunikation der Parteien spiegelt und dabei vermutlich nicht „zufällig“ auch ihre „Mittelstands-Lücken“ aufzeigt. Grundsätzlich haben wir immer dann einen Punkt vergeben, wenn der Parteichef im Interview eine der Mittelstands-Anliegen anspricht. Manchmal – wenn das Ansprechen sehr intensiv und glaubwürdig war – mit einem halben Punkt mehr, im umgekehrten Fall einen halben Punkt weniger.
Mittelstands-Anliegen laut Lobby der Mitte-KMU-Umfrage 2019 und 8. Welle Mittelstandsbarometer 2018 | ÖVP | SPÖ | FPÖ | NEOS | GRÜNE |
Mehr Sichtbarkeit für Mittelstand | |||||
Durchsetzungskraft für Innovationen | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 |
KMU-gerechter Bürokratie-Abbau & Verwaltungsreform | 1,5 | 0,5 | 1,5 | ||
Beendung der Steuerungerechtigkeit | 1 | 0,5 | 1 | 1 | 1 |
Personal-Versorgung & Ausbildung/Bildungsreform | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Förderung von Eigenkapital-Aufbau, Beendung der Kreditprobleme | |||||
Eine Sozialpolitik der Leistungsanreize | 1 | 1 | 0,5 | ||
Mehr Mittelständler in Volksvertretungen | |||||
Nachhaltige Klimapolitik | 1 | 1 | 1 | 1,5 | |
Punkte | 6 | 3 | 4 | 5,5 | 4 |
Die wichtigsten Erkenntnisse der Parteichefs-Interview-Punktebewertungen:
- Die ÖVP (6 Punkte) gewinnt knapp vor den NEOS (5,5 Punkte). Auf dem dritten Platz folgen ex aequo FPÖ und GRÜNE mit jeweils 4 Punkten, die SPÖ liegt mit 3 Punkten am letzten Platz. Das entspricht auch in etwa den Partei-Präferenzen, welche im Mittelstandsbarometer 2018 erhoben wurden, also keine Riesen-Überraschung.
- Schon erstaunlich und für den Mittelstand eine schwere Enttäuschung: In drei für den Mittelstand sehr wichtigen Bereichen konnte keine der Parteien punkten bzw. hat keiner der Parteivorsitzenden diese angesprochen: Bei „Mehr Sichtbarkeit für Mittelstand“, bei „Förderung von Eigenkapital-Aufbau, Beendung der Kreditprobleme“ und bei „Mehr Mittelständler in Volksvertretungen“. Das zeigt auf, wo alle Parteien bezüglich der Wünsche und Erwartungen des Mittelstandes noch echte Defizite haben.
- Der ÖVP sollte es zu denken geben, dass sie gegenüber der Newcomer-Partei NEOS nur einen halben Punkt Vorsprung hat. Andererseits sind die Wirtschaftsprogramme der beiden Parteien auch nicht allzu unterschiedlich. Das gleiche gilt auch für ÖVP und FPÖ, die haben auch nur geringe Wirtschafts-Programm-Unterschiede, wobei die ÖVP das Image des Großunternehmen-Nahestehens und die FPÖ das Image der Arbeitnehmer-Schlagseite („soziale Heimatpartei“) gegenüber dem Mittelstand zu erklären haben.
Zusammenfassung vor dem Hintergrund der seit 2008 durchgeführten gesamten Lobby der Mitte/Gallup-Repräsentativ-Umfragen:
- Wenn man den Mittelstand nicht nur als die Anzahl der EPU, KMU und Freiberufler (ca. 0,75 Mio) nimmt, sondern auch als Wertegemeinschaft seiner Angehörigen, leitenden Mitarbeiter und „Fans“, welche sich den Werten Leistung, Eigentum, Nachhaltigkeit und Fairness verpflichtet fühlen sehen (immerhin ca. 2,8 Mio). Wenn man weiß, dass ein Drittel der Wähler in keiner der NR-Parteien eine Mittelstands-Partei sehen kann. Dann sollten sie alle ihr diesbezügliches Angebot noch einmal gründlich überdenken. Da sind aus meiner Sicht noch gut 2-3 %-Punkte im Wahlkampf mehr für sie drin.
- Wenn man insbesondere weiß, dass der unternehmerische Mittelstand von den Österreichern als „Das Land Voranbringer“-Nr.1 eingeschätzt (vor Politik, Konzernen, Global-Finanz, etc.) aber gleichzeitig auch als ständig schwächer werdende Lobby angesehen wird, dann ahnt man, warum dem Mittelstand seine Sichtbarkeit und seine Durchsetzungskraft so ein großes Anliegen ist.
- Wenn eine der Parteien die in der Lobby der Mitte schon veröffentlichten Wünsche und Forderungen des Mittelstandes gelesen hätte und – was vermutlich nicht schwer gewesen wäre – diese auch mit Bezug zu deren Partei-Programmen im Interview angesprochen hätte, dann wären für diese auch 7-8 Punkte locker erreichbar gewesen. Haben sie aber nicht.
- Und hier noch die Antworten der Österreicher und der Mittelstands-Betriebe auf die repräsentativ via 8. Welle der Mittelstandsbarometer-Umfrage gestellte Frage „Welche Partei vertritt Ihrer Ansicht nach am besten die Interessen des Mittelstandes?“
Das ist die simple Einsicht und Lösung:
Wir brauchen nicht die extremistischen „Ränder“ unserer Gesellschaft bekämpfen, nicht darüber klagen, dass es zu viele Reiche und viel zu viele Arme gibt, wenn wir uns dazu entschließen die Mitte unserer Gesellschaft, den unternehmerischen Mittelstand zu stärken. Nur wenn’s dem Mittelstand gut geht, geht’s uns allen gut. Eigentlich sollten doch alle großen oder wachsenden Parteien wollen, dass es uns allen gut geht, oder?
Mag. Wolfgang Lusak
ist Unternehmensberater und Coach von Kooperationen und Lobbys www.lusak.at
sowie Mittelstands-Aktivist und Vorsitzender der unabhängigen und allparteilichen Mittelstands-Plattform Lobby der Mitte www.lobbydermitte.at