Perspektiven EU-Handelspolitik (BMDW-Studie)

Wir bringen diese Presse-Info des BMDW bzw. der FFG, weil wir Mittelständler auch die strategischen Überlegungen der EU und unserer Regierung gegenüber USA und China kennen sollten

AutorInnen: Gabriel J. Felbermayr, Katrin Kamin (Federführung), Sonali Chowdhry, Julian Hinz, Anna-Katharina Jacobs, Sandra Kill, Alexander Sandkamp
Auftraggeber: Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, BMDW

Studie: Perspektiven einer erfolgreichen europäischen Handelspolitik im Kontext geopolitischer Herausforderungen

Ausgangslage, Ziel der Studie und Szenarien

China hat 2013 die EU27 und 2018 die USA gemessen an der Wirtschaftsleistung (in Kaufkraftparitäten) überholt.

In den kommenden Jahren wird der Vorsprung Chinas weiter wachsen.

Quantitative Ergebnisse

US-chinesischer Handelsstreit ‒ 4 Szenarien

  • „Aktueller Stand“:
    Veränderung der Zölle zwischen den USA und China von vor Beginn des Handelsstreits bis zum aktuellen Stand (Basisszenario). Österreich und die EU profitieren aufgrund von Handelsumlenkungseffekten von den bisherigen Entwicklungen im Handelsstreit zwischen den USA und China. Österreich baut seine Marktanteile in USA und China aus, weil Konkurrenten aus den jeweiligen Streitparteien an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
  • „Verschärfung“:
    Sowohl China als auch die USA heben ihre gegenseitigen aktuellen Zölle um die Hälfte an. Österreich und die EU profitieren noch stärker als im Szenario „Aktueller Stand“. Während Exporte in die USA steigen, sinken (sogar etwas mehr) jene nach China. Bei den Importen ist es vice versa.
  • „Entschärfung“:
    Sowohl China als auch die USA senken ihre gegenseitigen Zölle um die Hälfte. Hier wirken die entgegengesetzten Kräfte: Österreich und die EU verlieren in der Wohlfahrt, die Exporte nach China steigen, die Importe aus den USA sinken.
  • „Reaktion EU“:
    Die Europäische Union hebt ihre Zölle gegenüber China um die Hälfte an. Eine restriktive Handelspolitik der EU gegenüber China hätte weitreichende Konsequenzen. Österreichs Importe aus China sinken in diesem Szenario um fast 10%, die Exporte nach China um knapp 4%. Während Österreichs Wohlfahrt vergleichsweise stark steigt, sinkt Chinas Wohlfahrt sogar stärker als bei einer Eskalation des Handelsstreits mit den USA. Gleichzeitig wird die Position Chinas in Schlüsselindustrien wie Computer, Elektronik und Optik deutlich: Trotz restriktiver Handelspolitik verändern sich Österreichs Importe aus China in diesem Bereich kaum. Sowohl der innereuropäische Handel als auch der Handel mit den USA profitiert von einer restriktiveren Handelspolitik gegenüber China. Die Produktion in der EU und in Österreich sinkt.

    .

    Kernergebnisse

  • Österreich und die EU profitieren aufgrund von Handelsumlenkungseffekten potentiell von einer Eskalation des USchinesischem Handelsstreit ‒ und vice versa.
    Bei einer restriktiven Handelspolitik der EU gegenüber China würde Österreich aber nicht zuletzt wegen der wichtigen Rolle Chinas in Schlüsselindustrien und trotz eines Anstiegs des innereuropäischen Handels verlieren. Durch das Phase-1- Abkommen zwischen China und den USA ist bereits mit einem Absinken der österreichischen Exporte nach China zu rechnen. Obwohl die Auswirkungen des RCEP-Abkommens relativ gering sind, verdient die ost-/südostasiatische Region die volle Aufmerksamkeit der EU. Sie sollte auch bereit sein, Ländern mit großer wirtschaftlicher Dynamik – allen voran Indonesien – Zugeständnisse zu machen. Und sie muss sich überlegen, mit welchen Angeboten, etwa im Bereich der Personenfreizügigkeit, sie Indien überzeugen kann, nicht näher an RCEP heranzurücken und stattdessen ein Abkommen mit der EU abzuschließen.

    .
    Handlungsempfehlungen für die EU
    ausgehend von der Studie:

  • „Sprache der Macht“:
    Schaffung eines souveräneren Selbstverständnisses der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, um das Vakuum, das die US-chinesische Großmachtrivalität hinterlässt, auszufüllen; bessere Koordination der Außen- und Sicherheitspolitik
  • Stärkung des EU-Binnenmarkts und des Brussels-Effekts:
    Auftreten der EU gegenüber China oder den USA auf Augenhöhe von der Größe und Qualität des Binnenmarktes abhängig; möglichst einheitlicher und großer Binnenmarkt verschafft der EU mehr Macht bei der Setzung internationaler Standards; Gemeinsame Industriepolitik, besonders in Hightech-Bereichen wie Halbleiter.
  • Gemeinsame transatlantische Position gegenüber China:
    Nicht ausschließlich defensive gemeinsame Strategie gegenüber China, sondern aktiv offensiv gemeinsame Ziele verfolgen:
    o Schaffung eines Klimaklubs im Zusammenhang mit geplantem CO2-Grenzausgleich
    o Zusammenarbeit im Bereich Schlüsseltechnologien
    o Abbau der transatlantischen Handelsbarrieren
  • Aktive Mitgestaltung des Multilateralismus und gleichzeitiger Ausbau des Netzwerks aus Handels- und Investitionsabkommen auch im Sinne des European Green Deal:
  • Weiterentwicklung der europäischen Sanktionsmöglichkeiten: Maximierung der Zielgenauigkeit der Maßnahmen und Minimierung der Kosten auf EU-Seite
  • Ausbau von Kompensationsinstrumenten für geschädigte Unternehmen auf EU-Ebene: Schaffung eines Fonds zur Abfederung innereuropäischer Kollateralschäden einer robusten Außenhandelspolitik.

    .

    Österreichische Positionierung:

  • Europa braucht sich nicht verstecken, sondern kann selbstbewusst China und den USA die Stirn bieten.
  • Zentrale Punkte aus Sicht Österreichs: 1. EU-Unternehmen, wo immer sie agieren, faire Wettbewerbsbedingungen gewährleisten 2. ihnen den Zugang zu globalen Märkten erleichtern 3. Abhängigkeiten in sensiblen Bereichen reduzieren bzw. die Versorgung mit strategisch wichtigen Gütern auch im Fall unerwarteter Turbulenzen sicherstellen.
  • EU-Investitionsabkommen mit China ist Schritt in die richtige Richtung.
  • Braucht eine Modernisierung der WTO.
  • Stärkung des Brüssel-Effekts durch Stärkung des Binnenmarktes.
  • Transatlantische Kooperationen müssen ausgebaut werden
    o Die Studie zeigt, dass es z.B. bei den Themen Multilateralismus, Klimaschutz und Technologiepolitik viele gemeinsame Interessen und erhebliche Potenziale für eine erfolgreiche transatlantische Zusammenarbeit gibt.
    .

    FFG – Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft
    +43 5 7755-6012
    presse@ffg.at
    www.ffg.at

 

 

 

Kategorie: